Die Versicherer akzeptierten zwar das Recht der Geschädigten auf fiktive Abrechnung, aber sie gingen schon seit Ende der 1980er Jahre in ihrer täglichen Regulierungspraxis häufig dazu über, bei fiktiver Abrechnung die Stundenverrechnungssätze zu kürzen. Sie regulierten dann nicht die Stundenlöhne von markengebundenen Fachwerkstätten, sondern vertraten die Ansicht, dass die erforderlichen Reparaturkosten nach § 249 BGB nur abstrakt auf Basis der mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze zu ermitteln seien. Im Rahmen des organisierten Schadenmanagements wurden zur Umsetzung entsprechend ausgebildete sachverständige Mitarbeiter eingestellt, spezielle Abteilungen geschaffen, eigene Sachverständigenorganisationen gegründet oder auf bestehende Einfluss genommen, so dass deren Gutachter bei der Pkw-Besichtigung von vornherein mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen kalkulierten. Daneben kürzten einige Versicherer in den 80er Jahren hin und wieder auch die Mehrwertsteuer und es wurde die Meinung vertreten, dass die fiktive Abrechnung den Betrug begünstige.[15]

Die Kürzung der Stundenverrechnungssätze wurde Ende der 90er Jahre von der überwiegenden Rechtsprechung für rechtswidrig gehalten, denn als erforderliche Reparaturkosten nach § 249 S. 2 BGB a.F. wurden nicht die mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze, sondern nur die Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten angesehen.[16] Angesichts der Divergenzen zwischen der Regulierungspraxis vieler Versicherer und der herrschenden Meinung innerhalb der Rechtsprechung war es eine Frage der Zeit, wann auch der BGH Gelegenheit zu einer Stellungnahme bekommen würde.

[15] Vgl. dazu die kritischen Ausführungen von Gebhardt, zfs 1990, 145 ff.
[16] Z.B. LG Bochum v. 1.9.1992 – 11 S 290/92; AG Bochum v. 1.9.1994 – 45 C 608/93; AG Königswinter v. 30.11.1994 – 9 C 92/94; AG Clausthal-Zellerfeld v. 14.1.1997 – 4 C 428/96; AG Mosbach v. 22.8.1997 – 3 C 134/97; AG Gelsenkirchen v. 17.10.1997 – 2 C 256/96; LG Oldenburg v. 18.5.1999 – 1 S 651/98; AG Gießen v. 3.12.1999 – 43 C 2311/99; AG Iserlohn v. 16.2.2000 – 41 C 295/99; AG Brühl v. 19.10.2000 – 3 C 184/00; AG Kelheim v. 22.3.2001 – 1 C 0862/00, 1 C 862/00; LG Kassel v. 3.5.2001 – 1 S 657/00; LG Lübeck v. 19.6.2001 – 6 S 117/00; AG Hannover v. 4.6.2002 – 528 C 2052/02; a.A., wonach bei fiktiver Abrechnung nur die mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze beansprucht werden können, etwa OLG Hamm v. 22.4.1996 – 6 U 144/95; AG Gießen v. 31.1.1997 – 43 C 2477/96; LG Berlin v. 3.6.2002 – 58 S 446/01; AG Wetzlar v. 13.9.2002 – 32 C 977/01; zur Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer bei fiktiver Abrechnung vgl. bereits BGH v. 19.6.1973 – VI ZR 46/72.

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