Es komme nach Ansicht des BGH allerdings nach wie vor darauf an, dass die Preise dieser Vertragswerkstätten "(markt)üblich" seien.
1. Die "Definition" des BGH
Eine Definition gibt der BGH nicht. Zur Marktüblichkeit führte er lediglich aus, sie bedeute "insbesondere (Hervorhebung des Verfassers), dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen muss". Weitergehende Erläuterungen enthalten die BGH-Entscheidungen nicht. Ein Merkmal der Marktüblichkeit ist für den BGH mithin, dass die angebotenen Stundenverrechnungssätze nicht auf Sonderkonditionen beruhen.
2. Marktüblichkeit und Löhne unterhalb des Durchschnitts
Vom BGH bisher nicht entschieden ist die Frage, ob Stundenverrechnungssätze auch dann noch marktüblich sind, wenn sie zwar allen Kunden der Vertragswerkstatt des Versicherers angeboten werden, also nicht auf Sonderkonditionen für den Geschädigten beruhen, sie jedoch noch unterhalb des Marktdurchschnitts in der jeweiligen Region liegen.
Die Schadenabrechnung unterhalb der mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze ist in der Praxis sehr häufig anzutreffen, wenn nicht mittlerweile sogar die Regel. Sie entsteht dadurch, dass sich die Vertragswerkstätten der Versicherer die niedrigen Löhne leisten können. In der Praxis sind die Versicherer mit ihren Referenz- und Partnerwerkstätten stets vertraglich verbunden und vermitteln ihnen aus dieser Vertragsbeziehung heraus ein hohes Auftragsvolumen an Kasko- und Haftpflichtschäden. Allein die HUK-Coburg steuerte im Jahr 2015 ein Volumen von nicht weniger als 710 Millionen EUR in ihre Partnerbetriebe, was statistisch einem Umsatz von 500.000 EUR für jeden der rund 1.400 Partnerbetriebe in 2015 entspricht. Darüber hinaus unterstützen die Versicherer ihre Vertragswerkstätten, indem sie sich an den Kosten für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter beteiligen und ihnen günstigere Konditionen beim Einkauf von Ersatzteilen vermitteln.
Diese Tatsachen sind bekannt und werden durch die beiden folgenden Zitate belegt:
"Bereits 2007 hatte sich die HUK-COBURG an den Kosten von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Werkstattmitarbeiter sowie von Beratungen zur Prozessoptimierung beteiligt. Jetzt wird die HUK-COBURG ihren Partnerwerkstätten darüber hinaus dabei helfen, ihren größten Kostenfaktor – den Einkauf von Ersatzteilen – zu optimieren. Sie unterstützt daher die Betriebe bei der Beschaffung von Original-Ersatzteilen, … die Zukunftsfähigkeit jeder Partnerwerkstatt soll damit auf ein stabiles Fundament gestellt werden".
"Ähnlich wie die meisten Kfz-Versicherungen am Markt, wird auch die Allianz als Gegenleistung für die Einsteuerung von Unfallschäden mit den Werkstätten Nachlassvereinbarungen treffen, um so den Schadenaufwand zu senken. … "Bestimmt werden wir die Stundenverrechnungssätze verhandeln"", so das zuständige Vorstandsmitglied der Allianz Versicherung.
"Wir erhalten von unseren Werkstattpartnern beispielsweise gegenüber dem nicht-gesteuerten Schaden reduzierte Stundenverrechnungssätze. Im Gegenzug steuern wir den Werkstätten Schäden zu, es ist eine Win-win-win-Situation", so der Bereichsleiter Kraftfahrt-Schaden des HDI.
Die Partner- und Referenzwerkstätten haben durch die Vermittlung von Haftpflicht- und Kaskoschäden daher hohe, weit oberhalb des Marktdurchschnitts liegende, regelmäßig wiederkehrende und berechenbare Umsätze und durch die Kostenbeteiligung der Versicherer eine günstige Kostenstruktur, womit zu erklären ist, dass sie betriebswirtschaftlich in der Lage sind, für alle Kunden einheitliche Stundenverrechnungssätze anzubieten, die unterhalb der mittleren, ortsüblichen Stundenverrechnungssätze der jeweiligen Region liegen.
Gerade darin liegt für die Versicherungswirtschaft ja der Sinn und Zweck von Vertragswerkstätten gegenüber freien Werkstätten. Einen anderen Zweck haben die vertraglichen Beziehungen mit den Werkstätten für die Versicherer nicht. Zutreffend spricht das AG Hamburg in seinem Urt. v. 20.11.2014 in diesem Zusammenhang von einem "Sondermarkt". Die – allgemein zugänglichen – Werkstattlöhne unterhalb des Marktniveaus entsprechen der Interessenlage der Versicherer, weil sie durch die niedrigeren Löhne, nicht nur konkret, sondern auch fiktiv eine Vielzahl von Haftpflichtschäden unterhalb des Marktdurchschnitts und damit günstiger abrechnen können, ohne sich dem Einwand auszusetzen, dass ihre Partnerwerkstätten mit Sonderkonditionen kalkulieren, die der Allgemeinheit nicht zugänglich sind.
3. Kritik
Die Vorgehensweise wird aktuell von diversen Gerichten gebilligt. Sie ist aber nicht vereinbar mit der Rech...