VVG § 22 § 213; BGB § 123
Leitsatz
1. Nach dem Tod des VN dürfen dessen Erben oder Angehörige schweigepflichtige Datenquellen (hier: Gesundheitsdaten) schon nicht von der über den Tod hinaus wirkenden Schweigepflicht entbinden können.
2. Sieht man das anders, müssen insoweit allerdings die Vorgaben von § 213 VVG eingehalten werden.
3. Wird lediglich der Krankenversicherer des VN von der Schweigepflicht entbunden, können auf diese Erklärung Anfragen des VR an die vormals behandelnden Ärzte von vorneherein nicht gestützt werden.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2017 – 4 U 145/16
Sachverhalt
Der Kl. macht einen Anspruch aus der von seiner am 19.4.2014 an Krebs verstorbenen Ehefrau (E) abgeschlossenen Risikolebensversicherung geltend.
Die E verneinte im Antragsformular vom 1.12.2006 die Gesundheitsfrage.
Ferner war dort folgende Schweigepflichtentbindungserklärung enthalten:
"Ich ermächtige die W, zur Nachprüfung und Verwertung der von mir über meine Gesundheitsverhältnisse gemachten Angaben aller Ärzte, Krankenhäuser und sonstigen Krankenanstalten sowie Pflegeeinrichtungen, bei denen ich in Behandlung oder Pflege war oder sein werde sowie andere Personenversicherer und Pflegepersonen über meine Gesundheitsverhältnisse bei Vertragsabschluss zu befragen. Dies gilt für die Zeit vor der Antragsannahme und die nächsten fünf Jahre nach der Antragsannahme."
Werden Leistungen wegen Berufsunfähigkeit beansprucht, darf die W die in Abs. 1 S. 1 genannten Personen und Einrichtungen, die Ärzte, die mich untersucht haben, sowie Behörden – mit Ausnahme von Sozialversicherungsträgern – auch über Ursache, Beginn, Art, Verlauf, Grad und voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit sowie über diejenigen Krankheiten, die zur Berufsunfähigkeit geführt haben, befragen.
Insoweit entbinde ich alle, die hiernach gefragt werden, von der Schweigepflicht auch über meinen Tod hinaus.“
Die E war jedenfalls am 14.1.2005 bei Dr. Sch in ärztlicher Behandlung wegen eines Asthma bronchiale, der sie homöopathisch behandelte. Ferner litt sie mehr oder weniger häufig unter Sodbrennen, das sie im Sommer 2001 ärztlich mittels einer Magenspiegelung im St. M. Krankenhaus in L bei Dr. T abklären ließ. Im Juli 2005 ließ sie bei Frau Dr. Z wegen eines Erschöpfungsgefühls ihre Laborwerte überprüfen und äußerte dabei auch Rückenbeschwerden, ferner wurde eine Spirometrie durchgeführt.
Nach dem Tod der E wurde dem Kl. von dem Bekl. folgende "Vollmacht zur Versicherung (…)" übersandt, die vom Kl. ausgefüllt und unterschrieben wurde:
"Ich ermächtige die W, zur Prüfung meines dort gestellten Antrags auf Auszahlung der Versicherungsleistung wegen Tod der versicherten Person (H S), die der [S I] über die versicherte Person vorliegenden ärztlichen bzw. medizinischen Unterlagen (z.B. AU-Zeiten, Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser, Angaben über Erkrankungen) einzusehen. Diese dürfen auch an die W. übersandt werden."
Insoweit entbinde ich die [S I] von der Schweigepflicht.“
Der Bekl. holte daraufhin umfangreiche Auskünfte bei dem Krankenversicherer der E, über die Daten ihrer Leistungen für den Zeitraum von 2000 bis 2014 ein und focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Berufung des Kl. ist begründet. Er hat gegen den Bekl. einen Anspruch auf Auszahlung der unstreitigen Versicherungssumme i.H.v. 246.964 EUR."
I. Der Bekl. hat schon nicht nachgewiesen, von der E arglistig getäuscht worden zu sein.
1. Dabei kann zugunsten des Bekl. angenommen werden, dass die E die Gesundheitsfrage im Versicherungsantrag vom 1.12.2005 unzutreffend beantwortet hat.
a) Auch wenn ein durchschnittlicher VN die Frage entgegen ihrem umfassenden Wortlaut dahingehend versteht, dass lediglich ärztliche Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen von dem Bekl. abgefragt werden sollen, wäre die Verneinung der Frage durch die E unzutreffend gewesen. Die E ist in den fünf Jahren vor der Antragsstellung jedenfalls im Sommer 2001 durch Dr. T untersucht und auch mehrfach durch (…) Dr. Z sowie Dr. Sch behandelt worden. Daran kann angesichts der Aussagen der Zeugen Dr. Sch und Dr. Z (…) kein Zweifel bestehen. (Wird ausgeführt.)
Aufgrund der beispielhaften Aufführung von Behandlungsgründen im Klammerzusatz der Gesundheitsfrage steht auch außer Frage, dass auch Behandlungen wegen Refluxösophagitis und Asthma bronchiale erfragt waren, da ausdrücklich auf Atmungs- und Verdauungsorgane Bezug genommen wurde. Die von den Zeugen bekundeten Behandlungen fanden auch im durch die Gesundheitsfrage erfassten Zeitraum statt.
b) Die Fragestellung war objektiv auch nicht so zu verstehen, dass lediglich Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen von einigem Gewicht anzugeben seien und Bagatellbeschwerden grds. außer Betracht bleiben sollten. Eine solche Einschränkung ist in der Fragestellung schon nicht enthalten. Sie ergibt sich auch nicht aus der beispielhaften Aufzählung im Klammerzusatz. Auch wenn in dieser Aufzählung einige schwerer wiegende Erkrankungen explizit aufgeführt sind. (…) Der durchschnittliche V...