BGB § 166 § 195 § 196 § 199 § 323 § 346 § 434 § 435 § 437 § 438 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
1) Teilt die Herstellerin eines Kfz einem Käufer mit, dass das gekaufte Kfz vom Abgasskandal betroffen sei und an einer Lösung gearbeitet werde, sowie dass zur Behebung des Abgasmangels ein Software-Update zur Verfügung stehe, muss es sich der Händler nicht zurechnen lassen. Da die Herstellerin gleichzeitig angekündigt hat, die Nachbesserung könne durch einen autorisierten Partner der Herstellerin erfolgen, wird auf das Vertragsverhältnis des Händlers nicht Bezug genommen.
2) Die Herstellerin ist bei der Abgabe ihrer Erklärung in eigenem Namen aufgetreten und handelte auch nicht in Vollmacht für den Händler.
2) Die Mitteilung eines Herstellers eines Kfz gegenüber dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Kfz, sie werde ihren Händlern nahe legen, auf die Verjährungseinrede gegen Gewährleistungsansprüchen zu verzichten, wirkt nicht im Verhältnis zwischen Händler und Käufer. Beruft sich der Händler gegenüber geltend gemachten Gewährleistungsansprüchen des Käufers auf den Eintritt der Verjährung, handelt er nicht treuwidrig.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Brandenburg, Urt. v. 18.7.2017 – 2 U 39/16
Sachverhalt
Der Kl. begehrt die Rückabwicklung eines von ihm mit der Bekl. am 3.4.2012 geschlossenen Kaufvertrags über ein Kfz, das am 8.11.2012 übergeben worden ist. Zur Begründung für die begehrte Rückabwicklung bezog sich der Kl. darauf, dass das Fahrzeug mit einem von dem Hersteller manipulierten Motor ausgestattet sei. Der Kl. erhob Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags am 22.1.2016. Das LG hat die Klage am 25.10.2016 mit der Begründung abgewiesen, die Gewährleistungsansprüche seien verjährt. Die Herstellerin des Kfz hat mit Schreiben vom 11.11.2016 mitgeteilt, sie habe allen Vertragspartnern nahe gelegt, bis zum 31.12.2017 auf die Einrede der Verjährung auch bezüglich bereits verjährter Ansprüche zu verzichten. Die Bekl. hat einen Verzicht auf die Verjährungseinrede nicht erklärt, vielmehr angegeben, das Aufforderungsschreiben der Herstellerin nicht erhalten zu haben.
Die Berufung des Kl. mit dem Ziel der Verurteilung zur Rückabwicklung des Kaufvertrags hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Zu Recht geht das LG von einem wirksamen Kaufvertrag sowie der Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche aus."
1. Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen Nichteintritts einer aufschiebenden Bedingung, der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Unmöglichkeit besteht nicht.
a) Die Parteien haben am 3.4.2012 einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen. Wie auch der Kl. nicht in Abrede stellt, kam eine Einigung der Parteien über den wesentlichen Inhalt des Geschäfts zustande. Danach hatte die Bekl. dem Kl. gegen Zahlung des Kaufpreises einen Audi Q5 2.0 TDI Quattro zu verschaffen. Dass die Parteien die Erteilung einer EG-Typengenehmigung oder das Erreichen der Bedingungen für die Einordnung des Fahrzeugs in die EU 5-Norm i.S.e. aufschiebenden Bedingung dahin vereinbart hätten, dass die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts als solches vom Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses abhängig sein soll, ist weder dem Vortrag des Kl. noch den vorgelegten Anlagen mit der erforderlichen Substantiierung zu entnehmen.
b) Eine Rückabwicklung nach §§ 123, 142, 812 BGB wegen arglistiger Täuschung durch die Bekl. kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Die Erregung eines Irrtums durch Vorspiegeln unwahrer oder durch Unterdrückung wahrer Tatschen setzt voraus, dass der Verkäufer den Mangel der Kaufsache kennt, damit rechnet oder weiß dass der Käufer diesen Mangel nicht kennt, und er die Vorstellung hat, der Käufer würde bei Kenntnis des Mangels den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abschließen (BGH, Urt. v. 31.1.1996 – VIII ZR 297/94, Rn 9. juris). Diese Kenntnis bzw. leicht verschaffbare Kenntnis muss beim Vertragspartner selbst vorliegen oder diesem zurechenbar sein. Daran fehlt es hier. Der darlegungs- und beweisbelastete Kl. behauptet die Kenntnis der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs in der Organisation der Bekl. als Verkäufer nicht. Soweit beim Hersteller des Fahrzeugs entsprechende Kenntnisse vorliegen sollten, können diese der Bekl. nicht nach § 166 BGB zugerechnet werden. Insb. führen die für juristische Personen entwickelten Grundsätze hier nicht zu einer Wissenszurechnung. Diese Regel betrifft die Zurechnung des Wissens von Organvertretern im Verhältnis zur juristischen Person. Letztere muss sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organwalter zurechnen lassen, selbst wenn das “wissende' Organmitglied, an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt hat bzw. nicht davon gewusst hat (BGH, Urt. v. 17.5.1995, DAR 1995, 323 Rn 15, juris). Die Hersteller des Fahrzeugs, die Audi AG und die Bekl., stehen sich jedoch als juristisch selbstständige Personen gegenüber. Die Bekl. ist auch nicht als Handelsvertreterin der Audi AG anzusehen. Nach der st. Rspr. des BGH ist der Vorlieferant des Verkäufers i.Ü. nicht dessen Gehilfe bei der Erfül...