BGB § 253 Abs. 3; ZPO § 322
Leitsatz
1. Verlangt ein Kl. für erlittene Körperverletzungen ohne Einschränkung ein Schmerzensgeld, so werden durch den im Urteil zuerkannten Betrag alle Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten oder objektiv erkennbar waren oder deren künftiger Eintritt nach den Kenntnissen und Erfahrungen eines insoweit Sachkundigen vorhersehbar waren.
2. Der Feststellungsausspruch in einem Urteil, wonach der Schädiger und seine Haftpflichtversicherung verpflichtet sind, dem Geschädigten alle künftigen immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, ändert nichts daran, dass vorhersehbare Spätschäden von dem Schmerzensgeldausspruch erfasst werden. Vielmehr beschränkt sich die Bedeutung des Schmerzensgeldausspruchs darin, künftige Schmerzensgeldansprüche des Geschädigten wegen erst später eingetretener und nicht vorhersehbarer Spätschäden der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu unterwerfen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Ingolstadt, Urt. v. 9.1.2012 – 53 O 667/11
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. aus einem Verkehrsunfall auf Zahlung weiteren Schmerzensgeldes nach Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in einem vorangegangenen Rechtsstreit in Anspruch. Die Parteien streiten darüber, ob das vorangegangene rechtskräftige Leistungsurt. der Zubilligung weiteren Schmerzensgeldes entgegensteht. Der Kl. hatte bei dem Unfallereignis eine massive Prellung der linken Beckenseite erlitten, wobei sich ein großflächiger Bluterguss im Bereich des großen Rollhügels links bildete, der mehrfach punktiert werden musste. Nachdem die Bekl. Haftpflichtversicherung vorgerichtlich ein Schmerzensgeld von 700 EUR gezahlt hatte, machte der Kl. ein weiteres Schmerzensgeld von 5.100 EUR geltend. Das LG sprach dem Kl. ein weiteres Schmerzensgeld von 1.200 EUR zu und traf weiterhin die Feststellung, dass die Bekl. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, u.a. die künftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen. Zur Bemessung des Schmerzensgeldes führte das LG folgendes aus:
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ( … ) ist das Gericht davon überzeugt, dass unfallursächlich ein Bluterguss in dem vom Kl. angegebenen Umfang vorgelegen hat und daraufhin durch die Dres. Schamberger (und) Gubba mehrmals eine Punktion stattgefunden hat. Das Gericht schließt sich auch der nachvollziehbaren Ausführung des Sachverständigen an, dass dadurch eine Fibrinablagerung stattgefunden hat mit einer Schleimbeutelreizung. Wie der Sachverständige ferner ausführte, kann eine solche Schleimbeutelreizung durchaus zu längerfristigen Reizungen und Schmerzen, wie sie auch vom Kl. geschildert wurden, führen. Auf Nachfrage bestätigte der Sachverständige, dass solche Reizungen und Schmerzen durchaus bis zum Tage der damaligen Hauptverhandlung, also dem 7.1.2008, mithin fast vier Jahre nach dem Unfallereignis, andauern können."
Aufgrund der Gesamtschau des Gutachtens, des Ergänzungsgutachtens sowie der Anhörung des Sachverständigen ist das Gericht auch überzeugt, dass die Schleimbeutelreizung unfallursächlich war und durch den unfallunabhängig beim Kl. vorhandenen Sporn am linken Rollhügel lediglich unterhalten wurde. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Schleimbeutelreizung unabhängig vom Unfall allein durch den vorhandenen Sporn entstanden sein kann. ( … )
Es sind damit zur Überzeugung des Gerichts auch die beim Kl. vorhandenen andauernden Schmerzen unfallabhängig und in die Bemessung des Schmerzensgeldes einzustellen. Ferner ist zu sehen, dass aufgrund des BIutergusses und des sich deswegen bildenden Serums sich der Kl. mehrfach Punktionen unterziehen musste.
Ferner leidet der Kl. seit dem Unfall unter Schmerzen sowie einer anhaltenden Schleimbeutelreizung i.V.m. einem Pelzigkeitsgefühl aufgrund einer andauernden Nervenreizung am Nervus cutaneus femoris lateralis, was zu einer Mindersensibilität in Form von Pelzigkeitsgefühlen geführt hat.
Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass gem. sämtlicher vorliegender Atteste ( … ) ein weitgehend komplikationsloser Heilungsverlauf, abgesehen von den oben genannten Beschwerden, stattgefunden hat und auch sofort nach dem Unfall keine Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, allenfalls eine festgestellte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von 20 % vom Unfalltag 30.10.2004 an bis zum 20.12.2004. Diese Erwerbsunfähigkeit führte jedoch nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit im tatsächlichen Sinne.
Ferner war bei der Schmerzensgeldbemessung auch zu beachten, dass zumindest nach den vorliegenden Attesten voraussichtlich keine Folgeschäden eintreten werden.“
Die Entscheidung über den Feststellungsantrag begründete das LG wie folgt:
"Begründet ist ein ( … ) Feststellungsantrag, wenn die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches vorliegen, der zu möglichen Schäden führen kann. Diese Wahrscheinlichkeit liegt vor, da die beim Kl. bestehende unfallbedingt verursachte Schleimbeutelreizung bis zum heutigen Tage noch nicht abgeklunge...