BGB § 670 § 677 § 683
Leitsatz
Der Anspruch auf Ersatz der zu einer Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen kann durch einen Abzug "neu für alt" gemindert sein.
BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 136/11
Sachverhalt
Die Kl. ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in E. Vor dem Grundstück steht ein von der bekl. Stadt gepflanzter und unterhaltener Baum. Dessen Wurzeln waren in den Hausanschlusskanal der Kl. eingewachsen und hatten diesen beschädigt. Die Kl. ließ die erforderlichen Reparaturarbeiten durchführen und erhielt dafür von der Versicherung der Bekl. einen Ausgleichsbetrag. Mit ihrer Klage hat sie einen weiteren Betrag von zuletzt 2.971,49 EUR nebst Zinsen verlangt. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat der Kl. 119,52 EUR nebst Zinsen zugesprochen. Mit der von dem LG zugelassenen Revision möchte die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung von insgesamt 2.011,06 EUR nebst Zinsen erreichen. Die Bekl. beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
2 Aus den Gründen:
[2] "I. Das BG bejaht einen Anspruch der Kl. unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 670, 683 BGB. Die Bekl. sei aus § 1004 Abs. 1 BGB zur Beseitigung der eingewachsenen Wurzeln und zur Reparatur des Kanals verpflichtet gewesen. Von dieser Verpflichtung sei sie durch das Tätigwerden der Kl. befreit worden. Grds. erstattungsfähig sei von den Werklohnkosten des Bauunternehmers, der den Schaden unter Verlegung eines neuen Kanals beseitigt habe, ein Betrag von 2.071,67 EUR. Hiervon sei allerdings unter Berücksichtigung des Alters und der Lebensdauer des ersetzten Kanals ein Abzug “neu für alt' zu machen, so dass nur ein Betrag von 215,13 EUR zu erstatten sei. Hinzu komme ein nach § 287 ZPO geschätzter Betrag von 1.014,59 EUR für eigene Aufwendungen der Kl. und ihres Ehemannes sowie Kosten für einen Container i.H.v. 226,10 EUR. Von dem sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von 1.455,82 EUR bleibe unter Berücksichtigung der erhaltenen Versicherungsleistung nur der zugesprochene Betrag von 119,52 EUR von der Bekl. zu erstatten."
[3] II. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
[4] 1. Die Berufung ist entgegen der Auffassung der Bekl. zulässig. Es ist zwar richtig, dass sich die Berechnung des mit dem Berufungsantrag weiterhin verfolgten Zahlungsantrags nicht erschließt. Das ändert aber nichts daran, dass Antrag und Begründung den Umfang und die Zielrichtung des Rechtsmittels klar erkennen lassen. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des BG hat die Kl. ihre erstinstanzlich gestellten Anträge mit Ausnahme einer Position weiterverfolgt. Ob sie dafür einen schlüssigen, insb. auch rechnerisch nachvollziehbaren Vortrag gehalten hat, ist keine Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels, sondern der Begründetheit. Damit erledigt sich zugleich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Einwand der Revision, das angefochtene Urt. lasse mangels Mitteilung der Anträge nicht den Gegenstand des Berufungsverfahrens erkennen.
[5] 2. Zutreffend – und von der Revision nicht angegriffen – ist der Ausgangspunkt des BG.
[6] Der Kl. stand nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB gegen die Bekl. ein Anspruch auf Beseitigung der durch die Wurzeln eingetretenen Beeinträchtigung zu. Der Anspruch umfasste die Wiederherstellung des beschädigten Kanals, da die Entfernung der Wurzeln zu dessen Zerstörung geführt hatte (st. Senatsrspr., siehe nur Urt. v. 4.2.2005 – V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1368 m.w.N.). Der Eigentümer, der eine solche Beeinträchtigung selbst beseitigt, kann von dem nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB an sich hierzu verpflichteten Störer Ersatz der zu der Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, und zwar – soweit sich die Voraussetzungen feststellen lassen – aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB), im Übrigen aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (st. Rspr., siehe nur Senat, Urt. v. 4.2.2005 – V ZR 142/04, NJW 2005, 1366 f. m.w.N.).
[7] 3. Der sich danach ergebende Zahlungsanspruch ist durch einen Abzug unter dem Gesichtspunkt “neu für alt' gemindert.
[8] a) Es entspricht der Rspr. des Senats, dass der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB durch ein Mitverschulden des Eigentümers entsprechend § 254 BGB beschränkt sein kann (Senat, Urt. v. 18.4.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 239 und v. 21.10.1994 – V ZR 12/94, NJW 1995, 395 f. m.w.N.). Der Senat hat dies damit begründet, dass der auf lediglich objektiver Rechtswidrigkeit beruhende Beseitigungsanspruch nicht weiter gehen kann als ein auf schuldhaftem Handeln beruhender Schadensersatzanspruch (vgl. zu § 251 BGB Senat, Urt. v. 21.12.1973 – V ZR 107/72, WM 1974, 572 f.) und dass bei dem in der Rspr. des Senats angenommenen weiten Umfang des Beseitigungsanspruchs ein Bedürfnis zur entsprechenden Anwendung schadensersatzrechtlicher Anspruchsbeschränkungen besteht (Senat, Urt. v. 18.4.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 239). Rechtstechnisch erfolgt die Berücksichtigung des Mitverschuldens in der Weise, dass der Beseitigungsanspruch durch eine Feststellung zur Kos...