Die Entscheidung des BGH hat den Fall der Erstattungsfähigkeit von Parteikosten betroffenen. Dieselbe Frage stellt sich auch für den Entschädigungsanspruch von Zeugen gegenüber der Staatskasse, bei denen die Vorschriften der §§ 20, 22 JVEG direkt anzuwenden sind. Die Entscheidung des BGH gibt Anlass zu weitergehenden Ausführungen.

1. Terminswahrnehmung notwendig

Der BGH ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass die Teilnahme sämtlicher Bekl. (es waren mindestens zwei Bekl.) zu allen Terminen notwendig war. Wenn nämlich die Wahrnehmung auch nur eines einzigen der insg. 6 Termine nicht notwendig gewesen wäre, so hätte sich für den Erstattungsanspruch der Bekl. für diesen Termin die Frage, nach welcher Vorschrift sich die Berechnung der "Zeitversäumnis" richtet, nicht gestellt.

Nach der Rspr. des BGH RVGreport 2008, 113 (Hansens) = NJW-RR 2008, 654 ist die Teilnahme der Partei an einem gerichtlichen Termin grds. notwendig. Dies gilt nach Auffassung des BGH unabhängig davon, ob die Partei anwaltlich vertreten ist oder ob das Gericht ihr persönliches Erscheinen angeordnet hat. Dabei ist es auch nicht von Bedeutung, ob es sich um einen Verhandlungstermin oder um einen Beweisaufnahmetermin handelt. Dies begründet der BGH mit dem Grundsatz der Mündlichkeit in der Verhandlung, dem Fragerecht der Partei in der mündlichen Verhandlung und der Verpflichtung des Gerichts, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken. Bei der Teilnahme an einer Beweisaufnahme stellt der BGH ferner auf den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit ab, weil eine anwesende Partei in einem Beweisaufnahmetermin nicht selten etwaige Unklarheiten unmittelbar durch eine einfache Rückfrage leicht beseitigen kann.

Diese Rspr. hat der BGH ohne Ausführungen hierzu auch auf einen vom gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Ortstermin übertragen. Dies erscheint sachgerecht, weil für den Beweis durch Sachverständige gem. § 402 ZPO die Bestimmungen über den Zeugenbeweis, also auch die Vorschrift des § 357 Abs. 1 ZPO entsprechend gelten, nach der den Parteien gestattet ist, der Beweisaufnahme beizuwohnen. Ferner hat der BGH offensichtlich keine erstattungsrechtlichen Bedenken gehabt, die Anwesenheit jedes der (mindestens) zwei Bekl. bei den drei Ortsterminen als notwendig anzusehen. Warum nicht die Anwesenheit eines Bekl. ausgereicht hätte, wird vom BGH nicht erörtert.

Der BGH hier hat hier auch keinen Anlass gesehen, die Grundsätze des Beschl. RVGreport 2008, 113 (Hansens) auf diesen Fall anzuwenden. Danach ist nicht ausnahmslos jede oder sind nicht gar beliebig viele Reisen der Partei an den Ort des Prozessgerichts erstattungsfähig. Der BGH hat in jenem Beschl. die Einschränkung gemacht, dass eine Kostenerstattung dann nicht in Betracht kommt, wenn von vornherein erkennbar ist, dass eine gütliche Einigung ausscheidet oder die Partei zur Klärung des Sachverhalts aus persönlicher Kenntnis nichts beitragen kann. Möglicherweise hat der BGH hier Ausführungen dazu deshalb nicht für erforderlich erachtet, weil es hier "nur" um eine Differenz von 14 EUR je Stunde für jeden der Bekl. ging. Geht es jedoch neben der Erstattung der "Zeitversäumnis" auch um Fahrtkosten von auswärtigen Parteien zu den Gerichts- und Ortsterminen, hat die Frage, ob die Wahrnehmung jedes Termins durch jeden Bekl. notwendig war, wirtschaftlich schon eine erheblich größere Bedeutung.

2. Weitere Gerichtsentscheidungen

Die Kosten der Partei für die Bestellung eines sachverständigen Zeugen zu einem Gerichtstermin sind bis zur Höhe der Entschädigung nach dem JVEG erstattungsfähig, BGH RVGreport 2011, 434 (Hansens) = AGS 2011, 515.

Bei fehlender Notwendigkeit der Benutzung eines Taxis sind lediglich die Kosten für die fiktive Benutzung eines Privat-Pkw erstattungsfähig, so SG Karlsruhe RVGreport 2012, 40 (Hansens) = AGS 2012, 51.

Bei der Berücksichtigung von Fahrtkosten im Rahmen der wirtschaftlichen Prüfung der Voraussetzungen der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe sind Fahrten zur Arbeitsstelle entsprechend § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG mit pauschal 0,30 EUR je Kilometer anzusetzen, so OLG Rostock RVGreport 2011, 350 (Hansens) = zfs 2011, 587 mit Anm. Hansens = AGS 2011, 381.

Die erhöhte Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung können allein "Nur-Hausfrauen" bzw. "Nur-Hausmänner" erhalten, LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2010, 360 (Hansens).

Bei notwendiger Terminswahrnehmung durch einen Mitarbeiter einer Handelsgesellschaft besteht ein Entschädigungsanspruch für Verdienstausfall gem. § 22 S. 1 JVEG auch ohne konkreten Nachweis, so KG RVGreport 2007, 429 (Hansens) = KGR 2007, 707.

Heinz Hansens

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