SGB X § 116
Leitsatz
§ 116 Abs. 6 S. 1 SGB X ist analog auch auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anwendbar.
BGH, Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 274/12
Sachverhalt
Die Kl. begehrt als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung von dem beklagten Haftpflichtversicherer aus gem. § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht die Erstattung von Aufwendungen, die sie für ihre Versicherte R erbracht hat und künftig erbringen muss. Die Versicherte erlitt einen Verkehrsunfall, bei dem sie schwer verletzt wurde. Der VN J der Bekl. kam mit seinem bei der Bekl. haftpflichtversicherten Kfz, in dem sich die Versicherte als Beifahrerin befand, aufgrund Übermüdung von der Fahrbahn ab. J verstarb an der Unfallstelle. Die volle Haftung der Bekl. ist unstreitig. Die Kl. gewährte ihrer Versicherten Leistungen, die sie von der Bekl. erstattet verlangt. Die Bekl. ist der Auffassung, einem Anspruchsübergang auf die Kl. stehe das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X entgegen, da R und J Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gewesen seien und in häuslicher Gemeinschaft gelebt hätten. LG und OLG haben den Regressanspruch verneint. Die vom OLG zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[8] "… 1. Das BG hat zutreffend entschieden, dass § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X analog auch auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anwendbar ist. Sie stehen insoweit “Familienangehörigen‘ im Sinne dieser Vorschrift gleich. An der gegenteiligen Auffassung (Urt. v. 1.12.1987 – VI ZR 50/87, BGHZ 102, 257, 263 ff.) wird nicht mehr festgehalten.
[9] a) Die Anwendung des Familienprivilegs bei der Geltendmachung von Regressansprüchen aufgrund erbrachter Versicherungsleistungen oder der Leistungen sonstiger Drittleistungsträger beruht auf einem allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. Urt. v. 28.6.2011 – VI ZR 194/10, BGHZ 190, 131 Rn 10; Urt. v. 21.9.1976 – VI ZR 210/75, VersR 1977, 149, 150; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 32 Rn 73; vgl. auch Verkehrsgerichtstag 2007 in Goslar, Arbeitskreis 1, Empfehlung 1). Dieser fand seinen Ausdruck zunächst nur in § 67 Abs. 2 des Gesetzes vom 30.5.1908 über den Versicherungsvertrag (RGBl S. 263; VVG a.F.). Eine entsprechende Regelung fehlte im Sozialversicherungsrecht, solange der den Regress ermöglichende Forderungsübergang in § 1542 RVO geregelt war. Gleichwohl hat der erkennende Senat entschieden, dass dieser Forderungsübergang bei Schädigungen unter Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherten leben, durch den Schutzzweck der Versicherungsleistung in der Art des § 67 Abs. 2 VVG a.F. ausgeschlossen ist und dass dieser Ausschluss für alle Zweige der Sozialversicherung gilt (Urt. v. 11.2.1964 – VI ZR 271/62, BGHZ 41, 79, 82 ff.; v. 14.7.1970 – VI ZR 179/68, BGHZ 54, 256, 257 f.; v. 5.12.1978 – VI ZR 233/77, VersR 1979, 256, 257; v. 15.1.1980 – VI ZR 270/78, VersR 1980, 644 Urt. v. 15.1.1980 – VI ZR 181/78, VersR 1980, 526, 527). Sinn und Zweck des § 67 Abs. 2 VVG a.F. war zu verhindern, dass der VN durch einen Rückgriff gegen einen in seiner häuslichen Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen selbst in Mitleidenschaft gezogen wird. Dabei ist davon auszugehen, dass die in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Familienangehörigen meist eine gewisse wirtschaftliche Einheit bilden und dass bei der Durchführung des Rückgriffs der Versicherte im praktischen Ergebnis das, was er mit der einen Hand erhalten hat, mit der anderen wieder herausgeben müsste. Zugleich soll im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens verhindert werden, dass Streitigkeiten über die Verantwortung von Schadenszufügungen gegen Familienangehörige ausgetragen werden (vgl. Urt. v. 11.2.1964 – VI ZR 271/62, BGHZ 41, 79, 83; v. 12.11.1985 – VI ZR 223/84, VersR 1986, 333, 334; v. 1.12.1987 – VI ZR 50/87, BGHZ 102, 257, 259 f.; Urt. v. 28.6.2011 – VI ZR 194/10, a.a.O.; BGH, Urt. v. 30.4.1959 – II ZR 126/57, BGHZ 30, 40, 45 [unter Hinweis auf die amtl. Begründung zu § 67, RT-Drucks, 11. Legislaturperiode, II. Session Nr. 22, S. 127, abgedr. bei Gerhard/Hagen, VVG, 1908, S. 312]; Urt. v. 22.4.2009 – IV ZR 160/07, a.a.O. Rn 10; BVerfGE 127, 263, 281 ff.).
[10] b) § 116 Abs. 6 SGB X, der erst für Schadensfälle ab dem 30.6.1983 gilt, normiert diese Rspr. für den Bereich des Sozialgesetzbuchs. Die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, in dieser Vorschrift die in der Rspr. des BGH entwickelten Rechtsgrundsätze zur Geltung zu bringen, nach denen der Forderungsübergang gem. § 1542 RVO a.F. bei fahrlässigen Schädigungen durch Familienangehörige, die mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben, entsprechend der Regelung des § 67 Abs. 2 VVG a.F. ausgeschlossen ist (Urt. v. 1.12.1987 – VI ZR 50/87, BGHZ 102, 257, 259 mit Hinweis auf BT-Drucks 9/95 S. 28; vgl. ferner Fenn, Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung 1983, 107, 112 f.).
[11] c) Die Interessenlage, die beim Anspruchsübergang nach § 67 Abs. 2 VVG a.F. (§ 86 Abs. 3 VVG n.F.) die Anwendu...