StPO § 147 § 338 Nr. 8 § 344 Abs. 2; OWiG § 79 Abs. 3
Leitsatz
Bei einer auf die Versagung der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes gestützten Verfahrensrüge bedarf es grds. der Darlegung, was bei rechtzeitiger Gewährung der Einsichtnahme vorgetragen worden wäre. Ist dies nicht möglich, muss mit der Rechtsbeschwerde dargelegt werden, welche Bemühungen um Einsichtnahme bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge vorgenommen worden sind. Allein die wiederholte Aufforderung an die Bußgeldstelle, die Bedienungsanleitung zur Verfügung zu stellen, genügt hierfür angesichts des Umstandes, dass die Bedienungsanleitung kein Unikat darstellt, nicht.
OLG Celle, Beschl. v. 28.3.2013 – 311 SsRs 9/13
Sachverhalt
Das AG verurteilte den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften und setzte eine Geldbuße von 150 EUR fest. Es fand eine Geschwindigkeitsmessung mittels des Messgeräts ESO 3.0 durch den Zeugen PK O. statt. Der Betr. passierte mit seinem Pkw die Messanlage auf der mittleren von drei Fahrspuren und wurde dabei mit einer Geschwindigkeit von 157 km/h brutto gemessen, nach Abzug eines Toleranzwertes betrug die vorwerfbare Geschwindigkeit 152 km/h, die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle 120 km/h. Mit seiner Rechtsbeschwerde macht der Betr. eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die unzulässige Beschränkung von Verteidigerrechten sowie einen Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens geltend, weil ihm trotz mehrfacher Anforderungen weder die Betriebsanleitung des Messgeräts noch die Lebensakte zur Verfügung gestellt worden sei. Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… 1. Die Rechtsbeschwerde war zunächst gem. § 80 Abs. 1 OWiG zuzulassen, weil es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Es gilt, die Anforderungen für die Erhebung der Rüge bei Versagung der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung von Messgeräten zu präzisieren. Der Einzelrichter hat sodann gem. § 80a Abs. 3 OWiG die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen."
2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
a) Die auf die Beiziehung der Lebensakte gestützte Verfahrensrüge und die Sachrüge sind zulässig erhoben, decken aber keinen durchgreifenden Rechtsmangel im angefochtenen Urteil auf. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der Rechtsfolgenausspruch ist im Hinblick auf die vom AG berücksichtigte Voreintragung des Betr. im Verkehrszentralregister nicht zu beanstanden. Soweit der Betr. eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, weil ihm die Lebensakte des Messgeräts nicht zur Verfügung gestellt worden ist, konnte die Verfahrensrüge bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil eine solche Lebensakte nicht existiert, nachdem seitens des Polizeiamts für Technik und Beschaffung Niedersachsen seit dem Jahr 2002 derartige Akten nicht mehr geführt werden.
b) Näheren Ausführungen bedurfte es daher alleine zur Rüge des Betr., ihm sei die Bedienungsanleitung des Messgerätes nicht zur Verfügung gestellt worden. Diese ist unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in nicht ausreichender Weise ausgeführt worden.
aa) Soweit der Betr. hiermit die Verletzung des Prinzips des fairen Verfahrens und damit zugleich die Beschränkung der Verteidigerrechte in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt rügt, genügt der Vortrag in der Rechtsbeschwerde nicht den sich aus § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 StPO ergebenden Anforderungen. Eine solche unzulässige Beschränkung i.S.d. § 338 Nr. 8 StPO liegt nämlich nur dann vor, wenn sie auf einem in der Hauptverhandlung ergangenen Gerichtsbeschluss beruht und die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. KG, Beschl. v. 7.1.2013 – 3 Ws (B) 596/12, juris). Zwar führt die Rechtsbeschwerde aus, dass der Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem AG einen Aussetzungsantrag wegen Versagung der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung gestellt hat, der vom AG abschlägig beschieden worden ist. Ihr ist jedoch nicht zu entnehmen, welche Tatsachen sich aus der Bedienungsanleitung hätten ableiten lassen und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus gefolgt hätten. Soweit eine konkrete Benennung mangels Zugriffs auf die Unterlagen nicht möglich ist, muss sich der Verteidiger bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Einsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht auch dartun (vgl. BGHSt 49, 317, 328; BGH StraFo 2006, 459, 460; NStZ 2010, 530 (531)). Hierzu wird mit der Rechtsbeschwerde lediglich dargelegt, dass der Verteidiger bereits vor der Hauptverhandlung und auch nach Abschluss des Verfahrens vor dem AG sich erfolglos bei der Bußgeldstelle um Überlassung der Bedienungsanleitung bemüht hat. Angesichts des Umstandes, dass die Bedienungsanleitung für das betreffende Messger...