BGB § 249 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1. Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, und rechnet der den Schaden konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ab, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist.
2. Der Anspruch ist auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei der Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.
BGH, Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11
Sachverhalt
Die Bekl. Haftpflichtversicherung hat dem Kl. den aus einem Verkehrsunfall im Jahre 2009 entstandenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen. Die Parteien streiten um die Ersatzfähigkeit der bei dem Erwerb eines Ersatzfahrzeuges angefallenen Umsatzsteuer, der Nutzungsausfallentschädigung und der Standkosten.
Das nach dem Unfall nicht mehr fahrbereite und verkehrsunsichere Fahrzeug wurde durch einen Sachverständigen besichtigt, der Reparaturkosten von 9.768,94 EUR netto und darauf entfallende Umsatzsteuer von 1.856,10 EUR, den Restwert von 12.000 EUR und den Wiederbeschaffungswert von 30.000 EUR brutto ermittelte. Der Kl. ließ sein Fahrzeug nicht reparieren, sondern verkaufte es und erwarb ein Ersatzfahrzeug zum Kaufpreis von 25.592,44 EUR zuzüglich Umsatzsteuer von 4.862,56 EUR.
Die Bekl. regulierte den Fahrzeugschaden auf der Basis der Nettoreparaturkosten und zahlte für 16 Tage Nutzungsausfall täglich 59 EUR. Der Kl. hat die Zahlung der auf Reparaturkostenbasis kalkulierten Umsatzsteuer, restliche Standgebühren und Nutzungsausfall verlangt.
Das AG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das BG hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Die von dem BG zugelassene Revision der Bekl. blieb erfolglos.
2 Aus den Gründen:
[10] "… 1. Mit Recht bejaht das BG einen Anspruch des Kl. auf Ersatz der anteiligen Umsatzsteuer."
[11] a) Nach der Rspr. des Senats stehen dem Geschädigten im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines “gleichwertigen' Ersatzfahrzeugs. Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte jedoch grds. diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Dieses sog. Wirtschaftlichkeitspostulat findet gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll der Geschädigte an dem Schadensfall nicht “verdienen' (vgl. Senatsurt. v. 29.4.2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 397 f.; v. 15.2.2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 164 f.; v. 7.6.2005 – VI ZR 192/04, BGHZ 163, 180, 184; v. 6.3.2007 – VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287 Rn 6; v. 22.9.2009 – VI ZR 312/08, VersR 2009, 1554 Rn 7).
[12] b) Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot hätte sich der Kl. für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis entscheiden müssen. Allerdings steht es dem Geschädigten frei, dem Wirtschaftlichkeitspostulat nicht zu folgen, sondern statt einer wirtschaftlich gebotenen Reparatur eine höherwertige Ersatzsache zu erwerben. In diesem Fall kann er aber nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot die (tatsächlich angefallenen) Kosten der Ersatzbeschaffung nur bis zur Höhe der Reparaturkosten verlangen, weil eine Reparatur den geringsten Aufwand zur Schadensbeseitigung erforderte.
[13] c) Damit ist allerdings die Frage, ob der Kl. unter den Umständen des vorliegenden Falls den Ersatz anteiliger Umsatzsteuer verlangen kann, noch nicht beantwortet.
[14] Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 (BGBl I 2674) eingeführten gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist. In diesen Fällen kommt es für den Ersatz der Umsatzsteuer nur darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist, nicht aber welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat.
[15] Bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einer Beschädigung von Sachen entfällt nach der Absicht des Gesetzgebers die fiktive Umsatzsteuer als zu ersetzender Schadensposten. Umsatzsteuer soll nur noch ersetzt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich anfällt, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpfli...