OWiG § 67 Abs. 1 § 70 Abs. 2, 110a
Leitsatz
1. Es besteht kein Anlass, die Einspruchseinlegung per E-Mail zuzulassen.
2. Der Umstand, dass der Bußgeldbescheid die E-Mail-Adresse des Regierungspräsidiums angibt und die Rechtsbehelfsbelehrung keine Einschränkung hinsichtlich einer Einspruchseinlegung per E-Mail enthält, begründet keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Fulda, Beschl. v. 2.7.2012 – 2 Qs 65/12
Sachverhalt
Gegen den Betr. wurde wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeldbescheid von 240 EUR sowie 1 Monat Fahrverbot festgesetzt. Der Bußgeldbescheid wurde am 24.12.2011 dem Betr. durch persönliche Übergabe zugestellt. Der Betr. bat daraufhin durch E-Mail-Schreiben v. 3.1.2012 um Prüfung, ob es möglich sei, statt des Fahrverbots eine höhere Eintragung der Punkte in Flensburg festzulegen.
Das AG hat das E-Mail-Schreiben als Einspruch aufgefasst und diesen durch Beschl. v. 3.5.2012 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die in § 67 Abs. 1 OWiG vorgeschriebene Form (schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde) sei nicht gewahrt. Zwar sehe § 110a OWiG mittlerweile auch die Ersetzung schriftlicher Erklärungen durch elektronische Dokumente vor, dies jedoch erst ab Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung gem. § 110a Abs. 2 OWiG, diese sei in Hessen bislang nicht ergangen. Damit sei die Entscheidung über die Zulassung elektronischer Dokumente zwecks Einspruchseinlegung dem Verordnungsgeber vorbehalten, Gerichte könnten sich bereits unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung nicht darüber hinwegsetzen. Soweit die BGH-Rspr. zur formgültigen Rechtsmitteleinlegung die elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts (NJW 2000, 2340) oder den Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, den vollständigen Schriftsatz enthaltenden Bilddatei (z.B. PDF-Datei) genügen lässt (NJW 2008, 2649), sei dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da der Betr. das Einspruchsschreiben weder unterschrieben noch überhaupt auf Papier niedergelegt, sondern vielmehr nur in Form einer am Computer vorhandenen Buchstabenfolge erstellt habe.
Gegen den Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Zur Begründung verweist die Staatsanwaltschaft darauf, dass die Verwaltungsbehörde im Briefkopf im Bußgeldbescheid selbst ihre E-Mail-Adresse angebe. Auch wird auf die Entscheidung des BGH v. 20.12.1979 – 1 StR 164/79 (NJW 1980, 1290) verwiesen, wonach die fernmündliche Einspruchseinlegung zugelassen worden sei. Das LG Fulda hat die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gem. § 70 Abs. 2 OWiG zulässig. Sie ist aus den zutreffenden Gründen des Beschlusses des AG H, denen sich die Kammer im vollen Umfang anschließt, unbegründet.
Ergänzend ist zu bemerken, dass die Entscheidung des BGH v. 20.12.1979 – 1 StR 164/79 (NJW 1980, 1290), hier nicht zu einer abweichenden Entscheidung zwingt. Mit dieser Entscheidung hat der BGH nicht etwa eine zusätzliche Form der Einspruchseinlegung praeter legem geschaffen, sondern lediglich ausgeführt, dass für eine Einspruchseinlegung zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde keine persönliche Anwesenheit des Erklärenden erforderlich ist. Dies reiche aus, um den Tag der Einlegungserklärung, die Person des Erklärenden und den Inhalt seiner Erklärung zu bestimmen. Hier liegt aber eindeutig keine Erklärung zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde vor, sondern eine vom Betr. zwar getippte, jedoch nicht schriftliche Erklärung.
Der Umstand, dass der Bußgeldbescheid die E-Mail-Adresse des Regierungspräsidiums Kassel angibt und die Rechtsbehelfsbelehrung keine Einschränkung hinsichtlich einer Einspruchseinlegung per E-Mail enthält, begründet keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann. Allein die Angabe einer E-Mail-Adresse begründet keine zusätzliche Form der Rechtsbehelfseinlegung. Es handelt sich insoweit nur um eine zusätzliche nützliche Information für den Recht suchenden Bürger. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist hingegen richtig und vollständig, indem auf die Möglichkeit hingewiesen wird, den Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde einzulegen. Eine Belehrung dahingehend, dass der Einspruch auch in elektronischer Form eingelegt werden kann, ist nicht enthalten. Es besteht auch insoweit kein Anlass, die Einspruchseinlegung per E-Mail zuzulassen.“
3 Anmerkung:
Die Entscheidung des LG Fulda ist streng formal, steht aber konträr zur einhelligen Meinung in der Kommentarliteratur (Seitz in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 67, Rn 22a; Bohnert in: KK-OWiG, 3. Aufl., 2006, § 67, Rn 67b), zudem konträr zur technischen Entwicklung (aufgrund mangelhafter technischer Ausstattung der Gerichte wurde die E-Mail-Übermittlung im Jahr 2006 als noch nicht mit dem Computerfax gl...