"Dieses Rechtsmittel betrifft die Streitfrage, ob der Geschädigte bei (fiktiver) Schadensabrechnung auf Reparaturkostenbasis die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer, begrenzt auf die bei einer Reparatur entstehende Umsatzsteuer, verlangen kann, wenn er die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Anschaffung eines höherwertigen Ersatzfahrzeugs wählt, obwohl eine Fahrzeugreparatur wirtschaftlich geboten gewesen wäre."
In Übereinstimmung mit der Entscheidung des AG bejaht die Berufungskammer diese Frage. Die Kammer schließt sich damit nunmehr der Rspr. der anderen Berufungszivilkammer des LG Siegen an, die in diesem Sinne entschieden hat (Urteil, das auf die mündliche Verhandlung v. 12.4.2010 ergangen ist – 3 S 107/09, S. 5–8); sie steht insoweit in Übereinstimmung mit der – soweit ersichtlich – seit dem Jahr 2009 völlig einheitlichen Linie in der veröffentlichten Rspr. der BG und in der Literatur (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 20.8.2010 – 7 U 682/10 [zit. nach BeckRS 2011, 14147]; LG Bonn, Urt. v. 5.6.2012 – 8 S 84/12; LG Bremen, Urt. v. 24.5.2012 – 7 S 277/11 [zit. nach juris]; LG Koblenz, Urt. v. 25.4.2012 – 12 S 4/12, DAR 2012, 464 [zit. nach juris]; LG Aschaffenburg, Urt. v. 24.2.2011 – 23 S 129/10 mit zustimmender Anmerkung von Diehl, zfs 2011, 563–565 [Kopie Bt. 139/140 d.A.]; LG Saarbrücken, Urt. v. 21.5.2010 – 13 S 5/10 [zit. nach juris]; LG Arnsberg, Urt. v. 30.3.2010 – 5 S 114/09 (NJW 2011, 158; LG Kassel, Urt. v. 26.2.2009 – 1 S 344/08 [zit. nach juris]; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 249 Rn 27; Oetker, in: MüKo zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn 468; Jahnke, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012, § 249 Rn 267; Freymann, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, Kap. 5 Rn 13; Schubert, in: Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand 1.3.2011, § 249 Rn 243; anders LG Paderborn, Urt. v. 3.7.2008 – 5 S 14/08, zit. nach BeckRS 2009, 23024).
Dafür spricht schon der Wortlaut des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach die Umsatzsteuer zu ersetzen ist, “wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist'.
Zu Unrecht zieht der Bekl. das Urteil des BGH v. 14.2.2005 (NJW 2005, 1110) für seine Auffassung heran. In der neueren Entscheidung v. 22.9.2009 (NJW 2009, 3713) hat der VI. Zivilsenat nämlich ausdrücklich auf die Begründung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 Bezug genommen und festgestellt, dass der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten habe ändern wollen, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist; in diesen Fällen komme, es für den Ersatz der Umsatzsteuer nur darauf an, ob sie zur Wiederherstellung angefallen sei, nicht aber welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten habe (vgl. NJW 2009., 3713 Rn 10). Bei dieser Überlegung handelt es sich um ein Hauptargument der oben zitierten herrschenden Meinung (vgl. nur OLG Dresden, a.a.O. und LG Aschaffenburg, a.a.O. mit ausführlichem Zitat aus der Gesetzesbegründung; demgemäß sieht Schneider in der Anmerkung zu dem genannten Urteil des BGH v. 22.9.2009 – XI ZR 313/09 in jurisPR – VerkR 25/2009, Anm. 2, dort unter D, Hinweise i.S.d. hier vertretenen Auffassung). Der BGH musste die Frage dort nicht entscheiden, weil schon keine Umsatzsteuer angefallen war. Dabei handelt es sich um einen Umstand, der im vorliegenden Fall jedenfalls im Laufe des Berufungsverfahrens unstreitig geworden ist.
Der Gesichtspunkt der Kombination verschiedener Abrechnungsarten steht hier der Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer nicht entgegen; das Verbot des “Mischens' von konkreter und fiktiver Abrechnung stellt keinen eigenständigen Grundsatz des Schadensrechts dar, sondern dient lediglich dazu, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Geschädigten zu verhindern (vgl. Diehl, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH NJW 2006, 2320 [s. dort Rn 11]). In der vorliegenden Konstellation wird weder der Geschädigte in diesem Sinn bereichert noch entsteht dem Schädiger ein zusätzlicher Nachteil (vgl. LG Arnsberg, a.a.O., S. 159). Danach könnte eine Bindung des Geschädigten an eine einmal gewählte Form der Abrechnung nur als Sanktion für den Versuch angesehen werden, den Schaden möglichst günstig zu berechnen; dies aber lässt sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn zuvor eine Vereinbarung zwischen Geschädigtem und Schädiger über Art und Vollständigkeit des Ersatzes geschlossen wurde (vgl. Knerr, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, Kap, 3 Rn 38). Eine Abrede in diesem Sinn liegt hier nicht vor.“
Mitgeteilt von RA Dr. Thomas Basten, Marburg