Ich kann der Entscheidung des BGH hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten zustimmen. Die Ausführungen des BGH, die Vorlage des Gutachtens sei im Kostenfestsetzungsverfahren entbehrlich, halte ich für problematisch.

1. Prozessbezogenheit der Privatgutachtenkosten

Zunächst müssen die Privatgutachterkosten dem konkreten Rechtsstreit zuzuordnen sein. Diese Voraussetzungen sind in folgenden Fallgestaltungen gegeben:

Die Partei erteilt den Gutachtenauftrag, nachdem der Gegner Klage angedroht hat.
Die Partei hat den Gutachtenauftrag vor Klagezustellung erteilt, das Privatgutachten ist aber erst nach Zustellung der Klage erstellt worden, so BGH BRAGOreport 2003, 96 (Hansens).
Das Privatgutachten wird im Hinblick auf den laufenden Rechtsstreit in Auftrag gegeben, so BGH RVGreport 2012, 229 (ders.).

Hier hatte die Bekl. das Privatgutachten am Tage nach der Klagezustellung in Auftrag gegeben. Damit sind die Kosten hier unmittelbar prozessbezogen. Dem steht nicht entgegen, dass die Bekl. schon vor Klageerhebung geltend gemacht hatte, sie könne beweisen, dass nicht sämtliche Schäden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien. Hieraus kann nämlich nicht geschlossen werden, dass der Bekl. das DEKRA-Gutachten schon damals vorgelegen hätte.

2. Notwendigkeit des Privatgutachtens

Die Einholung eines Privatgutachtens ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Hierbei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen, so BGH RVGreport 2012, 229 (Hansens). Diese Voraussetzungen hat der BGH hier zu Recht bejaht. Bereits nach dem Klagevorbringen hätten nämlich Anhaltspunkte für den Verdacht eines versuchten Versicherungsbetrugs vorgelegen. Daher konnte die Bekl. die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage einer möglicherweise gegebenen Unfallmanipulation als sachdienlich erachten.

In seiner letzten in RVGreport 2012, 229 (Hansens) = zfs 2012, 285 m. Anm. Hansens veröffentlichten Entscheidung hatte der VI. ZS des BGH die Privatgutachtenkosten der Bekl. sogar in dem Fall für erstattungsfähig angesehen, in dem diese das Privatgutachten eingeholt hatten, um die Richtigkeit des Gerichtssachverständigengutachtens zu erschüttern oder zu widerlegen. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten nach Auffassung des BGH nicht voraus, dass das Privatgutachten im Rahmen einer ex post Betrachtung tatsächlich die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat.

3. Darlegung im Kostenfestsetzungsverfahren

Gem. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO genügt zur Berücksichtigung eines Ansatzes im Kostenfestsetzungsverfahren, dass er glaubhaft gemacht ist. Dies geschieht im Regelfall durch Vorlage von Urkunden (siehe § 294 Abs. 2 ZPO) oder durch Versicherung an Eides statt (siehe § 294 Abs. 1 ZPO). In seiner Entscheidung hat der BGH die Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung der Privatgutachterkosten zugunsten der Bekl. sehr großzügig behandelt. Die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Bekl., dass dieser die Kosten tatsächlich entstanden seien, sollte eine Selbstverständlichkeit beschreiben. Denn anderenfalls hätte die Bekl. mit der Geltendmachung von ihr tatsächlich gar nicht entstandenen Kosten einen (versuchten) Prozessbetrug begangen.

Ob die Vorlage allein der Rechnung des Privatgutachters reicht, um Anfall, Prozessbezogenheit und Notwendigkeit der Privatgutachterkosten glaubhaft zu machen, hängt vom Einzelfall ab. Immerhin ergab sich aus der verfahrensgegenständlichen Rechnung der DEKRA, dass das Gutachten den Unfall vom 4.4.2009 betraf und "zur Plausibilität von Schadenabläufen" erstellt wurde. Auch der Tag der Auftragserteilung ließ sich dem Gutachten entnehmen. Jedoch lässt sich nicht zwingend allein aus der Angabe des Unfallzeitpunktes entnehmen, dass die Rechnung tatsächlich auch den verfahrensgegenständlichen Unfall betraf. Immerhin ist es nicht auszuschließen, dass die betreffende Kfz-Haftpflichtversicherung einen oder mehrere Unfälle zu regulieren hatte, die sich ebenfalls an diesem 4.4.2009 zugetragen haben (sollen). Folglich müssten sich aus der Rechnung des Sachverständigen weitere Anhaltspunkte – wie die Angabe des amtlichen Kennzeichens oder des Namens des Versicherungsnehmers – entnehmen lassen, die eine einwandfreie Zuordnung zu dem in Rede stehenden Vorfall ermöglichen.

Ferner lässt sich allein aus der Rechnung des Sachverständigen nicht entnehmen, ob die von dem Privatgutachter berechnete Vergütung notwendig und dem Inhalt und dem Umfang seines Gutachtens angemessen war. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum für die erstattungsberechtigte Partei die Vorlage des Privatgutachtens im Kostenfestsetzungsverfahren entbehrlich sein sollte. Anerkennenswerte Gründe dafür, dieses Gutachten nicht einzureichen, kann ich nicht erkennen.

Die Frage der Darlegung und Glaubhaf...

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