"… II. … A. Erforderlichkeit"
Die Vorlage zur Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG ist erforderlich i.S.d. Art. 267 AEUV, nachdem die Entscheidung über die vorliegende Anfechtungsklage maßgeblich von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt. Nach den nationalen Bestimmungen wäre die Klage abzuweisen, weil die Aberkennung des Rechts, von einer österreichischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, die Kl. voraussichtlich nicht in ihren danach gegebenen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV muss die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist. Gem. § 46 Abs. 5 FeV hat die Entziehung bei einer ausländischen Fahrerlaubnis die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Die Ungeeignetheit der Kl. zum Führen von Kfz ergibt sich aus § 11 Abs. 1 S. 2 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu § 11 FeV. Danach ist in der Regel ungeeignet, wer gelegentlich Cannabis konsumiert und den Drogenkonsum nicht vom Fahren trennt. Ein hinreichender Nachweis hierfür liegt voraussichtlich vor. Aufgrund der am 11.5.2012 entnommenen Blutprobe und den danach festgestellten Werten (18.8 ng/ml THC und 47.4 ng/ml THC-COOH) und nach der mit dem ärztlichen Untersuchungsprotokoll dokumentierten Giftfestigkeit der Kl., konsumiert sie gelegentlich Cannabis und ist am 11.5.2012 unter Drogeneinfluss gefahren. Sie trennt damit den Konsum der Droge und das Fahren nicht, was ihre Ungeeignetheit begründet. Anhaltspunkte für einen atypischen Ausnahmefall liegen nicht vor (vgl. zur nationalen Rspr., jeweils m.w.N.: BVerwG, Urt. v. 26.2.2009 – 3 C 1/08, [zfs 2009, 354 =] juris; BVerwG, Beschl. v. 22.1.2001 – 3 B 144/00, juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v.22.11.2012 – 10 S 3174/11, [zfs 2013, 240 Ls. =] juris). …
C. Zur nationalen Rechtslage und Verwaltungspraxis
Die vom nationalen Recht vorgesehenen Reaktionen auf Verkehrsverstöße und Hinweise auf eine fehlende Fahreignung erfolgen auf drei unterschiedlichen Ebenen:
Strafrechtlich ist neben der Verhängung von Geld- oder Freiheitsstrafe die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB vorgesehen. Die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB ist nach § 61 Nr. 5 StGB eine Maßregel der Besserung und Sicherung (vgl. BGHSt 7, 168, 15, 393) bei Vorrang des Sicherungszwecks. Im Unterschied zum Fahrverbot (§ 44 StGB), das als kurzfristige Warnung dienen soll, bezweckt sie, ungeeignete Kraftfahrer (zumindest zeitweise) aus dem Straßenverkehr auszuschließen (BGHSt 50, 99, VRS 16 424) und dadurch erhöhte Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer zu verhindern (BGH NStZ-RR 2003, 74). Zweck der Norm ist mithin ausschließlich der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs. Der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung dient § 69 hingegen nicht (BGHSt 50, 99, Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 69 Rn 1).
Ordnungswidrigkeitsrechtlich können nach dem OWiG i.V.m. § 25 StVG Geldbußen und Fahrverbote mit einer Dauer von 1 bis 3 Monaten verhängt werden. Dabei stellt eine Ordnungswidrigkeit eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung dar, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Ordnungswidrigkeiten haben einen geringeren Unrechtsgehalt als Straftaten und sind nach allgemeiner gesellschaftlicher Auffassung im engeren Sinne nicht strafwürdig (vgl. BVerfGE 18, 28). Ein fahrerlaubnisrechtlicher Sicherungszweck wird mit den Maßnahmen nach dem OWiG nicht verfolgt.
Fahrerlaubnisrechtlich sieht die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, wenn Zweifel an der Fahreignung auftreten, zunächst die Überprüfung der Fahreignung vor. Steht fest, dass die Fahreignung nicht oder nicht mehr besteht, regelt das Gesetz eine Verpflichtung der Fahrerlaubnisbehörde, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein Ermessen besteht nicht. Das Fahrerlaubnisrecht ist Polizeiordnungsrecht, dient also nicht der Bestrafung, sondern der Abwehr von Gefahren für die Verkehrssicherheit.
Der streitgegenständliche Fall entspricht der fahrerlaubnisrechtlichen Praxis in der Bundesrepublik Deutschland. Die nationalen Fahrerlaubnisbehörden und Polizeidienststellen gehen von einer Zuständigkeit deutscher Behörden für die Entziehung ausländischer EU-Fahrerlaubnisse aus, wenn bei einem in der Bundesrepublik Deutschland begangenen Verkehrsverstoß Anzeichen für eine fehlende Fahreignung bekannt werden. Nach der Auskunft der Bezirkshauptmannschaft B. dürfte in Österreich eine vergleichbare Rechtsauffassung und Verwaltungspraxis bestehen.
D. Zu den Vorlagefragen
1. Vorlagefrage: Steht die aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG sich ergebende Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine einer nationalen Regelung der Bundesrepublik Deutschland entgegen, nach der ...