VVG § 6 Abs. 3 a.F. § 28 Abs. 1, 2 n.F.; VGB 98 Nr. 17
Leitsatz
1. Mit der Erklärung des VR, die Leistung abzulehnen, endet die Sanktion der Leistungsfreiheit wegen schuldhaft begangener Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheitsverletzungen.
2. Will der VR nach einer Leistungsablehnung wieder in die Sachprüfung eintreten und dafür den Schutz vertraglich vereinbarter Obliegenheiten erneut in Anspruch nehmen, muss er dies gegenüber dem VN zweifelsfrei klarstellen.
3. Die in Nr. 17 VGB 98 geregelte Verwirkung des Leistungsanspruchs infolge einer vom VN versuchten oder vollendeten arglistigen Täuschung des VR greift nicht ein bei Angaben des VN, die dieser erst nach einer Leistungsablehnung des VR in einem Wiederaufnahmeantrag macht.
BGH, Urt. v. 13.3.2013 – IV ZR 110/11
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Versicherungsleistungen nach einem durch Frostbruch verursachten Leitungswasseraustritt.
Für die Zeit nach Auszug des letzten Mieters im Jahre 2005 ist der Umfang der nachfolgenden Nutzung des versicherten Gebäudes zwischen den Parteien streitig. Unstreitig wurde das Gebäude vom Kl. zwar beheizt, während einer Kälteperiode im Januar 2006 fiel die Heizung jedoch aus. Am Abend des 13.1.2006 entdeckte eine Nachbarin, dass Wasser auf die Straße lief. Ursache war ein Wasseraustritt aus einem durch Frostbruch beschädigten Einhebelmischer des linken Waschbeckens des im Obergeschoss gelegenen Badezimmers. Gegenüber dem Regulierungsbeauftragten der Bekl. gab der Kl. unter anderem an, letztmalig am 9. oder 10.1.2006 im Gebäude gewesen zu sein, wobei ihm Kälte nicht aufgefallen sei. Die vom Kl. geforderten Versicherungsleistungen lehnte die Bekl. mit Schreiben v. 7.2.2006 unter Berufung auf Nr. 13.1 VGB 98 ab und kündigte den Versicherungsvertrag. Das versicherte Gebäude habe leer gestanden, es sei weder ausreichend beheizt, noch seien die Wasserleitungen entleert worden.
In einer unter dem 14.2.2006 an die Bekl. gerichteten schriftlichen anwaltlichen Aufforderung, ihre Entscheidung zu überdenken, ließ der Kl. vortragen, seine Ehefrau sei letztmalig am 12.1.2006 gegen 15.00 Uhr im Gebäude gewesen, das zu dieser Zeit noch warm gewesen sei. Die Heizung habe noch funktioniert. Mit Schreiben v. 20.2.2006 erwiderte die Bekl. dem Rechtsanwalt des Kl.:
"Es ist noch eine Rückfrage erforderlich, um Ihren Schaden weiter bearbeiten zu können. Hierfür benötigen wir noch etwas Zeit. Bitte haben Sie dafür Verständnis. Wir kommen wieder auf Sie zu."
Die Bekl. hält sich für leistungsfrei, weil die Angabe, die Ehefrau des Kl. sei noch am 12.1.2006 im zu dieser Zeit noch warmen Hause gewesen, falsch sei.
2 Aus den Gründen:
[17] "… 1. Die Bekl. kann sich nicht gem. § 6 Abs. 3 VVG a.F. i.V.m. Art. 1 Abs. 2 EGVVG auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Auskunftsobliegenheit aus Nr. 14.2.2 VGB 98 berufen.
[18] a) Nach st. Rspr. des Senats hat ein VN nach dem Versicherungsfall Aufklärungs- oder Auskunftsobliegenheiten nur solange zu erfüllen, wie er es mit einem VR zu tun hat, der noch prüfungs- und damit verhandlungsbereit ist. Mit der endgültigen Leistungsablehnung des VR enden, solange der VR an ihr festhält, die Verhandlungen über eine Entschädigungsleistung, während derer der VR auf Angaben eines redlichen VN angewiesen ist. Nur bis zu der Erklärung, die Leistung abzulehnen, besteht mithin die besondere Schutzbedürftigkeit des VR, der im Versicherungsrecht mit der dem übrigen Schuldrecht unbekannten Sanktion der Leistungsfreiheit wegen schuldhaft begangener Obliegenheitsverletzungen Rechnung getragen werden darf (vgl. nur Senat BGHZ 107, 368, 370 f. m.w.N.).
[19] b) Allerdings kann dieser Schutz für den VR wieder aufleben, wenn er dem VN unmissverständlich (Senat a.a.O.; BGH VersR 1991, 1129 unter 2a; Senat VersR 1998, 228 unter II 1c) zu erkennen gibt, dass er an seiner Leistungsablehnung nicht festhalten, sondern erneut in die Prüfung der Leistungspflicht eintreten und dazu die Verhandlungen über die Schadenregulierung wieder aufnehmen wolle. Weiter muss der VR dem VN in diesem Falle klar zu erkennen geben, inwieweit für ihn noch ein Aufklärungsbedürfnis besteht (Senat VersR 1998, 228).
[20] c) Daran gemessen kann sich die Bekl. nicht mehr auf die Verletzung der Obliegenheit aus Nr. 14.2.2 VGB 98 berufen. Bereits vor dem Anwaltsschreiben v. 14.2.2006, welches die beanstandete Auskunft enthielt, hatte die Bekl. ihre Leistung mit Schreiben v. 7.2.2006 abgelehnt. Entgegen der Auffassung des BG und der Revisionserwiderung hat sie dem Kl. nicht unmissverständlich ihre Bereitschaft signalisiert, von der Leistungsablehnung Abstand zu nehmen und wieder in die Leistungsprüfung einzutreten.
[21] aa) Dem knappen Wortlaut des an den Rechtsanwalt des Kl. gerichteten Schreibens v. 20.2.2006 kann schon nicht sicher entnommen werden, dass die Bekl. wieder in die Sachprüfung eintreten wollte. Das Schreiben kann ebenso gut dahin verstanden werden, nicht die Entscheidung über die Entschädigung, sondern die Entscheidung über den Wiedereintritt in die Sachprüfung solle vom Ergebnis der weder inhaltlich noch...