1. Charakterlicher Fahreignungsmängel
Auch sog. charakterliche Fahreignungsmängel können zur fehlenden Fahreignung führen, so dass dem Bewerber um eine Fahrerlaubnis diese zu versagen wäre oder dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese entzogen werden müsste. Charakterliche Fahreignungsmängel liegen nach der gesetzlichen Regelung insbesondere dann vor, wenn der Betroffene erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat (§ 2 Abs. 4 S. 1 StVG, § 11 Abs. 1 S. 3 FeV).
Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit, die sich im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten manifestiert, muss sich, um verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein, am Schutzzweck der Befugnisnormen orientieren und setzt daher voraus, dass die Anlasstat oder die Anlasstaten tragfähige Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Betroffene bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen Interessen unterzuordnen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass aus der Teilnahme des Betroffenen am Straßenverkehr zukünftig eine Gefährdung desselben resultieren kann.
In diesem Zusammenhang hat der BayVGH entschieden, dass es hierfür nicht allein ausreichend ist, dass ein Pkw als Mittel zur Straftat benutzt wurde. Vielmehr muss anhand konkreter Umstände, die sich aus der Tat unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit ergeben, festgestellt werden, ob die Anlasstat tatsächlich Rückschlüsse auf die Kraftfahreignung zulässt. Dafür kann es genügen, dass der Täter im Zusammenhang mit der Tat naheliegend mit einer Situation gerechnet hat oder rechnen musste, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte. Nicht jede grundsätzlich bestehende bzw. partiell vorhandene hohe Aggressionsbereitschaft lässt jedoch Rückschlüsse auf die Kraftfahreignung zu. Sie muss vielmehr in einem solchen Sinne vorhanden sein, dass zu erwarten ist, dass der Betroffene auch bei konflikthaften Verkehrssituationen (etwa bei Fahrfehlern anderer) emotional impulsiv handelt und dadurch das Risiko einer gefährdenden Verkehrssituation erhöht, sowie eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzt.
2. Alkohol
a) Alkoholabhängigkeit
Alkoholabhängigkeit schließt die Fahreignung grundsätzlich aus (Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV). Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene alkoholabhängig ist, hat die Fahrerlaubnisbehörde grundsätzlich die Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens anzuordnen (§ 13 S. 1 Nr. 1 FeV). Steht bereits fest, dass der Betroffene alkoholabhängig ist, unterbleibt die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens (§ 11 Abs. 7 FeV).
Das Vorliegen von Kriterien der Krankheit Alkoholabhängigkeit kann auch nach Aktenlage und ohne Hinzuziehung ärztlicher Sachkunde festgestellt werden. Attestiert eine Bezirksklinik einer Person, die sich mehr als zwei Wochen lang dort stationär aufgehalten hat, eine Abhängigkeitssymptomatik, so kommt einer solchen Diagnose ein hoher Grad an Verlässlichkeit zu. Wer eine stationäre Entziehungsbehandlung absolviert, verfügt über einen starken Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren. Depressive Verstimmungen, die unter Alkoholeinfluss eintreten, sind schädliche Folgen anhaltenden Alkoholkonsums im Sinn des sechsten Abhängigkeitskriteriums. Die Wiederaufnahme von Alkoholkonsum bereits einige Zeit nach Beendigung einer Entziehungsbehandlung stellt ein Indiz für verminderte Kontrollfähigkeit hinsichtlich der Alkoholaufnahme dar.
b) Alkoholmissbrauch
Bei Verdacht auf Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn (der Genuss von Alkohol und das Führen von Kraftfahrzeugen wird nicht hinreichend sicher getrennt) fordert die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille geführt hat (§ 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV). Grundsätzlich kann die Trunkenheitsfahrt auch im Ausland begangen worden sein. Voraussetzung für ihre Verwertbarkeit ist jedoch, dass sie in gleichem Maße hinreichend nachgewiesen ist, wie dies bei einer entsprechenden Zuwiderhandlung im Inland gefordert werden müsste. Allein die Angabe des Blutalkoholwertes ohne Laborbericht und ohne weitere Angaben über die Ermittlung des Wertes ist kein ausreichender Nachweis für die Blutalkoholkonzentration oder das Vorliegen eines Ordnungswidrigkeitentatbestands. Eine generelle Bindungswirkung des Tatbestands oder des Rechtsfolgenausspruchs ausländischer Strafgerichte für eine deutsche Fahrerlaubnisbehörde kennt das deutsche Straßenverkehrsrecht nicht.
3. Berücksichtigung länger zurückliegender Tatsachen
Im Rahmen des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens kann nicht jede beliebig lange in der Vergangenheit zurückliegende Tatsache als Anknüpfungspunkt für etwaige Fahreignungszweifel berücksichtigt werden. Die Rechtsprechung hat ...