MPU; Nichtvorlage eines Gutachtens; Neuerteilung einer Fahrerlaubnis; Eignungszweifel; Alkoholproblematik; Fortsetzungsfeststellungsinteresse; Rehabilitierungsinteresse; Wiederholungsgefahr; Amtshaftungsanspruch; Kollegialgerichts-Richtlinie (BVerwG, Urt. v. 21.3.2013 – 3 C 6.12 – Leitsätze)
1. Hat die Fahrerlaubnisbehörde für die Erteilung einer Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert und die Erteilung wegen Nichtvorlage des Gutachtens abgelehnt, kann sich der Betroffene nur dann auf ein Rehabilitierungsinteresse berufen, wenn die Beibringungsanordnung wegen besonderer Umstände des Einzelfalls eine diskriminierende Wirkung hat.
(Amtlicher Leitsatz)
2. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene die von ihm beanstandete Maßnahme als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise abträgliche Nachwirkungen der Maßnahme fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns wirksam begegnet werden könnte (BVerwG, Urt. v. 11.11.1999 –2 A 5.98 – Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 8 Rn 15 ff. m.w.N.).
3. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO kann nicht auf einen Schadensersatzanspruch wegen der u.a. für die Begutachtung entstandenen Kosten gestützt werden, wenn ein möglicher Amtshaftungsanspruch schon daran scheitern würde, dass das VG in Kammerbesetzung – und damit ein Kollegialgericht – die Aufforderung des Klägers zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für rechtmäßig gehalten hat. Einen Beamten trifft nämlich grds. kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (sog. Kollegialgerichts-Richtlinie; st. Rspr.; vgl. u.a. Urt. v. 3.6.2003 – 5 C 50.02, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 17 und v. 22.1.1998 – 2 C 4.97, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 113; vgl. auch BGH, Urt. v. 28.11.2002 – III ZR 122/02, NVwZ-RR 2003, 166).
4. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass der durch § 11 Abs. 8 FeV erlaubte Schluss auf die Nichteignung, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, zugleich bedeutet, dass auch im Neuerteilungsverfahren ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert werden durfte, sei es nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d, sei es nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. e FeV (entgegen Vorinstanz BayVGH, Urt. v. 2.12.2011 – 11 B 11.246, Rn 18).
(Leitsätze 2–4 sind Leitsätze der Schriftleitung Verkehrsverwaltungsrecht)
Autor: Karsten Funke
RiLG Karsten Funke, Schweinfurt, derzeit abgeordnet an das Bundesministerium der Justiz in Berlin