VVG § 76
Leitsatz
1. Von der Vereinbarung einer Taxe – und nicht einer bloßen Wertdeklaration – kann nicht schon dann ausgegangen werden, wenn der VN dem VR nicht näher begründete "Wertgutachten" zu zwei zu seinem Hausrat gehörenden Bildern vorlegt, die "zu dem Vertrag abgelegt" werden sollten und der VR in der Police bestätigt, der Wert der Gemälde sei in der Gesamtversicherungssumme berücksichtigt.
2. Von einer bindenden Taxe kann nicht ausgegangen werden, wenn dem angegebenen Wert von Gemälden i.H.v. 25.000 EUR ein sachverständig nach dem Verkaufspreis geschätzter Wert von 520 EUR gegenübersteht.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 6.2.2013 – 5 U 292/11
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Hausratversicherung wegen eines Einbruchsdiebstahls, bei dem zwei Bilder einer regionalen Künstlerin und ein Druck von Dali entwendet wurden.
Der Vertrag wurde im Jahre 2003 abgeschlossen. Unter dem 4.4.2006 reichte der Kl. über den Agenten der Bekl. zwei als "Wertgutachten" bezeichnete Dokumente v. 11.5.2004 und v. 1.5.2005 ein. Sie betrafen zwei Bilder ("Europa" und "Der Wächter") der regionalen Künstlerin L und sollten "zu dem Vertrag abgelegt werden". In dem "Wertgutachten" v. 1.5.2005 des S, Galerie H, ist angegeben, dass dem Bild "Der Wächter" vergleichbare Arbeiten derzeit zwischen 9.000 und 11.000 EUR gehandelt würden. In dem "Wertgutachten" v. 11.5.2004 der E-Galerie wird dem Bild "Europa" ein Wert von ca. 14.000 EUR bescheinigt. Unter dem 25.4.2006 fertigte die Bekl. einen Nachtrag zum Versicherungsschein, der folgenden Zusatz enthielt: "Im Rahmen der Hausratversicherung sind zwei Gemälde ("Europa" und "der Wächter") der Künstlerin L mitversichert. Der Wert der Gemälde ist in der Gesamtversicherungssumme berücksichtigt".
2 Aus den Gründen:
"… 2. b. Der Kl. kann wegen dieser drei entwendeten Gegenstände weitere Zahlungen von der Bekl. nicht beanspruchen, weil er nicht nachgewiesen hat, dass der Wiederbeschaffungspreis von Sachen gleicher Art und Güte im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die von der Bekl. bereits gezahlten Beträge der Höhe nach übersteigt.
(1) Besteht – wie hier – Streit über den Wert der versicherten Sache und damit die Höhe des vom VR zu ersetzenden Betrags, so trägt nach allgemeinen Grundsätzen der VN die Beweislast (Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. 2010, § 76 Rn 1 … ). Davon ist auch im vorliegenden Fall keine Ausnahme zu machen. Zwar behauptet der Kl., die Parteien hätten wegen der beiden Bilder von L im April 2006 eine Vereinbarung über den Verkehrswert (sog. Taxe, § 57 VVG a.F., jetzt: § 76 VVG) getroffen. Der Kl. hat diese Behauptung aber nicht beweisen können. Darauf kommt es letztlich indessen nicht an. Eine Taxe in der vom Kl. angenommenen Höhe könnte schon deshalb nicht als Versicherungswert zugrunde gelegt werden, weil er den wirklichen Versicherungswert bei Eintritt des Versicherungsfalles erheblich übersteigt (§ 57 S. 2 VVG a.F.; die Vorschrift entspricht § 76 VVG n.F.).
(2) Der Kl. hat nicht bewiesen, dass die Parteien in Bezug auf die beiden Bilder von L eine Taxe (§ 57 VVG a.F.) vereinbart haben.
(a) Gem. § 57 S. 1 und 2 VVG a.F. kann der Versicherungswert durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden. Die Taxe gilt dann als der Wert, den das versicherte Interesse zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles hat, es sei denn, dass sie den wirklichen Versicherungswert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt. Voraussetzung für die Annahme einer Taxe ist der Abschluss einer verbindlichen Vereinbarung (Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. 2010, § 76 Rn 4 … ). Die Einhaltung einer bestimmten Form ist nicht erforderlich. Eine Taxe kann auch stillschweigend vereinbart werden, sofern die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) mit hinreichender Sicherheit auf den Willen der Parteien schließen lässt, im Falle eines Totalschadens solle ohne weiteren Nachweis als Schadenshöhe der Betrag der Taxe bezahlt werden (Armbrüster, a.a.O. … ). Einseitige Wertvorstellungen des VN genügen nicht, selbst wenn sie dem VR bekannt waren (Halbach, in: MüKo-VVG, 2009, § 76 Rn 4), ebenso wenig eine bloße Schätzung des Werts der versicherten Gegenstände, um danach die Höhe der Versicherungssumme und die Prämien bemessen zu können (Motive zum VVG a.F., S. 127; Armbrüster, a.a.O.). Eine solche reine “Wertdeklaration‘ und keine Taxe liegt regelmäßig vor, wenn bei Kunstwerken die Wertangabe ohne vorherige Einschaltung eines kompetenten Sachverständigen erfolgt ist ( … ).
(b) Im vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, dass die Parteien wegen der beiden Bilder von L eine die Bekl. hinsichtlich des Versicherungswertes bindende Vereinbarung abschließen wollten. Der insoweit beweisbelastete Kl. hat nicht nachgewiesen, dass die Bekl. die beiden Bilder zu den von ihm mitgeteilten Beträgen von “zwischen 9.000 und 11.000 EUR‘ bzw. “ca. 14.000 EUR‘ wertmäßig bindend versichern wollte.
Allerdings kannte die Bekl. diese Wertvorstellungen des Kl.. Sie gesteht zu, dass die beiden “Wertgutachten‘ v. 11.5.2004 und v. 1.5....