[27] "… (2) Die Zustellung der Klageschrift war entgegen der Ansicht der Revision vorliegend auch nicht deshalb unwirksam, weil die Anlagen nicht beigefügt waren."
[28] (a) Nach § 253 Abs. 1 ZPO ist mit der Zustellung der Klageschrift die Klage erhoben und damit ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien und dem Gericht begründet. Erforderlich hierfür ist nur, dass das zugestellte Schriftstück als Klageschrift erkennbar ist. Weitere Voraussetzungen sind an die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses nicht zu stellen.
[29] Sie ergeben sich insb. nicht aus § 253 Abs. 2 ZPO, der den notwendigen Inhalt einer Klageschrift bestimmt. Er besteht in der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts, der Angabe von Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs sowie einem bestimmten Antrag. Fehlt es an hinreichenden Angaben zu Gegenstand und Grund des Anspruchs oder an einem bestimmten Antrag, ist nach allgemeiner Ansicht eine dennoch zugestellte Klage – nach vorangegangenem Hinweis – als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.1984 – VI ZR 70/82, VersR 1984, 538 unter III 1; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 253 Rn 23; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 253 Rn 20; Hk-ZPO/Saenger, 4. Aufl., § 253 Rn 31; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 253 Rn 61; BeckOK-ZPO/Bacher, Stand: 15.7.2012, § 253 Rn 80; vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 96 Rn 52). Eine derartige Abweisung setzt jedoch notwendigerweise voraus, dass zwischen den Parteien und dem Gericht überhaupt ein Prozessrechtsverhältnis besteht, da eine gerichtliche Entscheidung nicht außerhalb eines Prozessrechtsverhältnisses ergehen kann. Hieraus folgt, dass auch die Zustellung einer Klageschrift, die ihrerseits die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt, wirksam ist und ein Prozessrechtsverhältnis begründet (vgl. Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 253 Rn 174 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, a.a.O. Rn 51).
[30] Gleiches muss gelten, wenn – wie vorliegend – der Klage Anlagen nicht beigefügt waren (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, a.a.O. Rn 8; Gärtner/Mark, MDR 2009, 421, 422 ff.; differenzierend Musielak/Foerste, a.a.O., § 253 Rn 15; Zöller/Greger, a.a.O. Rn 26). Für die Beifügung von Anlagen verweist § 253 Abs. 4 ZPO auf die Vorschriften der §§ 131, 134, 135 ZPO. Zwar sind nach § 131 Abs. 1 ZPO Urkunden, auf die in einem Schriftsatz Bezug genommen wird, diesem beizufügen. Dass die Beifügung nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der Zustellung sein kann, belegt allerdings schon der Inhalt der Ausnahmeregelungen. So müssen beispielsweise Urkunden, die von bedeutsamem Umfang sind, dem Schriftsatz nicht beigefügt werden; hier genügt vielmehr die genaue Bezeichnung mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren (§ 131 Abs. 3 Alt. 2 ZPO). Dass im Falle des Fehlens von Unterlagen von geringem Umfang, die nach § 131 Abs. 1 ZPO beizufügen wären, eine Klagezustellung unwirksam sein soll, wohingegen sie im Falle des Fehlens umfangreicher Unterlagen unter den Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 ZPO wirksam ist, erscheint wenig überzeugend. Gleiches gilt im Rahmen des § 135 ZPO, der Rechtsanwälten die Mitteilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung ermöglicht. Die Wirksamkeit der Zustellung einer Klageschrift kann nicht davon abhängen, dass die Rechtsanwälte Urkunden, die als Anlagen zur Klage dienen, von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung übergeben. Insofern ist allgemein anerkannt, dass ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht des § 131 Abs. 1 ZPO nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung führt, sondern nur zur Anwendung der Verspätungsregelungen sowie des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO oder zu Kostennachteilen (MüKo-ZPO/Wagner, a.a.O., § 131 Rn 5, § 129 Rn 4; Musielak/Stadler, a.a.O., § 131 Rn 3, § 129 Rn 5; Stein/Jonas/Roth, a.a.O., § 131 Rn 4, § 129 Rn 13 ff.; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 131 Rn 1, § 129 Rn 4).
[31] (b) Der hier vertretenen Auffassung steht nicht entgegen, dass die Zustellung – neben der Sicherung des Nachweises von Zeit und Art der Übergabe eines Schriftstücks – auch gewährleisten soll, dass der Zustellungsempfänger verlässlich von dem Inhalt eines Schriftstücks Kenntnis nehmen kann, und damit auch der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG dient (BGH, Urt. v. 22.2.1978 – VIII ZR 24/77, NJW 1978, 1058 unter II 3 c bb; v. 6.4.1992 – II ZR 242/91, BGHZ 118, 45, 47; Beschl. v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rn 14; BVerfG, NJW 1988, 2361).
[32] Die Gewährung rechtlichen Gehörs umfasst nach st. Rspr. des BVerfG das Recht der Parteien, sich zu dem Sachverhalt, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt wird, vor Erlass der Entscheidung zu äußern (BVerfGE 63, 45, 59; 89, 28, 35; 101, 106, 129). Dieses Recht auf Äußerung ist eng verknüpft mit dem Recht der Parteien auf Information. Eine Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es f...