I. Gefahrensituation für eine VP
1. Lebensgefahr
Versicherungsschutz besteht nur in Fällen einer "Lebensrettung". Fraglich sind die Anforderungen, welche an die "Lebensrettung" gestellt werden müssen. Aus der Formulierung "Bemühen zur Rettung" folgt, dass es auf einen Rettungserfolg nicht ankommt. Scheitert die Rettung oder verstirbt die VP nach erfolgreicher Rettung anschließend dennoch, so hat dies auf den Versicherungsschutz und damit auf den Leistungsanspruch des Retters keinen Einfluss.
Es muss auch keine tatsächliche Gefahrenlage für das Leben der VP vorgelegen haben. Vielmehr genügt es, wenn sich die Gefahrensituation der VP für den Retter so darstellt, dass ein objektiver Betrachter von einer möglichen Lebensgefahr ausgehen musste.
Beispiel 1
Die VP verunglückt mit ihrem Auto. Sie liegt bewusstlos und blutend im Wagen. Bei dem Versuch, die verklemmte Fahrertür zu öffnen, stürzt der Retter und bricht sich das Handgelenk.
Der Retter kann von außen nicht erkennen, ob wegen der Bewusstlosigkeit und Blutung tatsächlich eine lebensbedrohliche Lage vorliegt. In der Situation des Retters wird man als objektiver Betrachter eine Lebensgefahr befürchten müssen, so dass im vorliegenden Fall Versicherungsschutz besteht.
2. Ursache der Lebensgefahr
Die Musterbedingung selbst lässt offen, wie es zur Lebensgefahr der VP gekommen sein muss. Es wird nicht ausdrücklich bestimmt, ob die VP sich in einer unfallbedingten Lebensgefahr befunden haben muss. Dies ergibt sich aber aus Ziff. 1.1 der AUB, wonach aus dem wirksamen Vertrag Versicherungsschutz nur für Unfälle (bzw. diesen gleichgesetzten erhöhten Kraftanstrengungen) der VP geboten wird. Dies gilt somit auch für den Retterschutz.
II. Unfall des Retters
1. Unfallereignis
Der Retter selbst muss bei der Rettung der VP ebenfalls einen Unfall im Sinne der AUB erleiden, was sich unter anderem auch aus den Voraussetzungen der versicherten Leistungsarten "Tod" und "Invalidität" ergibt. Ein ausdrücklicher Verweis auf die Unfallfiktion, also auf die einem Unfall gleichgestellte erhöhte Kraftanstrengung nach Ziff. 1.4 AUB, erfolgt nicht. Es ist also fraglich, ob auch erhöhte Kraftanstrengungen des Retters vom Retterschutz umfasst sind. Gemäß Ziff. 1.4 AUB wird eine erhöhte Kraftanstrengung unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich einem Unfall nach Ziff. 1.3 AUB gleichgesetzt. Soll diese Gleichsetzung ausnahmsweise nicht gelten, wird in der entsprechenden Vertragsbedingung ausdrücklich geregelt, dass sie nur für einen Unfall nach Ziff. 1.3 AUB gelten soll, wie z.B. beim Ausschluss von Bandscheibenschädigungen nach Ziff. 5.2.1 AUB. Da die erhöhte Kraftanstrengung beim Retterschutz nicht ausdrücklich ausgenommen bzw. dieser nicht ausdrücklich nur auf Unfälle nach Ziff. 1.3. AUB des Retters beschränkt ist, wird sie nach der allgemeinen Systematik der AUB gem. Ziff. 1.4 AUB einem Unfall des Retters gleichgestellt.
Beispiel 2
Der Retter zieht die VP aus einem Autowrack. Er bietet dafür all seine Kraft auf und erleidet dabei einen Bänderriss am Sprunggelenk.
2. Zeitliche Grenze des Versicherungsschutzes
Versicherungsschutz für Lebensretter besteht nur während der Bemühung um Rettung des Lebens der VP, ist also insoweit zeitlich begrenzt.
Beispiel 3
Der Retter hat die VP aus dem Auto befreit und sie den zwischenzeitlich eingetroffenen Rettungssanitätern übergeben. Beim Verlassen der Unfallstelle tritt der Retter in ein Loch am Straßenrand und bricht sich einen Fußknochen.
Die Lebensrettung der VP ist insgesamt zwar noch nicht beendet, aber die Rettungshandlung des Retters, sein Bemühen, ist abgeschlossen. Für den anschließenden Unfall des Retters besteht somit kein Versicherungsschutz, da er sich nicht während, sondern erst nach Abschluss seines Bemühens um Lebensrettung der VP ereignet hat.
3. Rettereigenschaft
Retter im Sinne der Bedingung ist, wer sich um die Lebensrettung der VP bemüht. Dies setzt eine aktive Handlung voraus, wobei nicht ausschließlich darauf abzustellen ist, dass der Retter die VP "mit eigenen Händen" aus der Gefahrensituation befreit. Ein "sich Bemühen um Lebensrettung" kann auch darin liegen, dass der Retter Hilfe holt, die Unfallstelle absichert, oder einem Dritten bei Rettungsmaßnahmen assistiert. Eine bloß passive räumliche Anwesenheit reicht dagegen nicht aus. In Fällen einer bloß psychischen Unterstützung kann Versicherungsschutz bestehen, etwa wenn sie dazu dient, die VP vor Eintreffen der regulären Rettungskräfte bei Bewusstsein zu halten. Soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, kommt der Retterschutz auch für Unfälle in Betracht, die der Retter noch auf dem Weg zur Unfallstelle zwecks Rettung der verunglückten VP aus einer (potentiell) lebensbedrohlichen Lage erleidet.
4. Berufsmäßige Retter
Die Musterbedingung nimmt berufsmäßige Retter nicht ausdrücklich vom Versicherungsschutz aus. So können grundsätzlich z.B. auch Rettungssanitäter oder Berufsfeuerwehrleute einen Anspruch haben. Zu beachten ist aber, dass einige VR in ihrer Sonderbedingung den Versicherungsschutz für berufsmäßige Retter ausdrücklich ausgenomme...