Einführung
Der sog. Retterschutz ist ein in der Rechtspraxis weitgehend unbekannter Leistungsanspruch. Er ist vielfach Bestandteil in vor allem maklervermittelten Sonderbedingungen zu privaten Unfallversicherungsverträgen und hat insbesondere auch im verkehrsrechtlichen Mandat Bedeutung. In Frage kommt ein Anspruch immer dann, wenn ein Helfer bei der Bemühung zur Lebensrettung eines anderen Menschen einen Unfall erleidet. Im Folgenden sollen die praxisrelevanten Probleme dieses Retterschutzes näher dargestellt werden.
A. Was ist der sog. Retterschutz?
Musterbedingung Retterschutz Versicherungsschutz besteht für Lebensretter während der Bemühungen zur Rettung einer versicherten Person. Im Todesfall X-Tausend EUR und im Invaliditätsfall Y-Tausend EUR. Der Versicherungsschutz gilt nur insoweit, als dass der Lebensretter keine anderweitig versicherte Person im Rahmen dieses Vertrags ist. |
Einige private Unfallversicherer (VR) haben in den Bedingungswerken diese oder ähnlich formulierte Sonderbedingungen aufgenommen. Mit dem Retterschutz wird nicht die in dem Vertrag namentlich versicherte Person (VP), sondern derjenige abgesichert, der sich als "Lebensretter" (Retter) eben dieser VP bemüht. Es wird also einer vorab nicht bekannten Person eine Invaliditäts- bzw. Todesfallleistung zugesichert, wenn diese eine unfallbedingte Gesundheitsschädigung erleidet. Es handelt sich um ein eigenständiges Leistungsversprechen im Rahmen einer privaten Unfallversicherung, deren grundsätzliche Regelungen somit Anwendung finden.
B. Leistungsfall
I. Gefahrensituation für eine VP
1. Lebensgefahr
Versicherungsschutz besteht nur in Fällen einer "Lebensrettung". Fraglich sind die Anforderungen, welche an die "Lebensrettung" gestellt werden müssen. Aus der Formulierung "Bemühen zur Rettung" folgt, dass es auf einen Rettungserfolg nicht ankommt. Scheitert die Rettung oder verstirbt die VP nach erfolgreicher Rettung anschließend dennoch, so hat dies auf den Versicherungsschutz und damit auf den Leistungsanspruch des Retters keinen Einfluss.
Es muss auch keine tatsächliche Gefahrenlage für das Leben der VP vorgelegen haben. Vielmehr genügt es, wenn sich die Gefahrensituation der VP für den Retter so darstellt, dass ein objektiver Betrachter von einer möglichen Lebensgefahr ausgehen musste.
Beispiel 1
Die VP verunglückt mit ihrem Auto. Sie liegt bewusstlos und blutend im Wagen. Bei dem Versuch, die verklemmte Fahrertür zu öffnen, stürzt der Retter und bricht sich das Handgelenk.
Der Retter kann von außen nicht erkennen, ob wegen der Bewusstlosigkeit und Blutung tatsächlich eine lebensbedrohliche Lage vorliegt. In der Situation des Retters wird man als objektiver Betrachter eine Lebensgefahr befürchten müssen, so dass im vorliegenden Fall Versicherungsschutz besteht.
2. Ursache der Lebensgefahr
Die Musterbedingung selbst lässt offen, wie es zur Lebensgefahr der VP gekommen sein muss. Es wird nicht ausdrücklich bestimmt, ob die VP sich in einer unfallbedingten Lebensgefahr befunden haben muss. Dies ergibt sich aber aus Ziff. 1.1 der AUB, wonach aus dem wirksamen Vertrag Versicherungsschutz nur für Unfälle (bzw. diesen gleichgesetzten erhöhten Kraftanstrengungen) der VP geboten wird. Dies gilt somit auch für den Retterschutz.
II. Unfall des Retters
1. Unfallereignis
Der Retter selbst muss bei der Rettung der VP ebenfalls einen Unfall im Sinne der AUB erleiden, was sich unter anderem auch aus den Voraussetzungen der versicherten Leistungsarten "Tod" und "Invalidität" ergibt. Ein ausdrücklicher Verweis auf die Unfallfiktion, also auf die einem Unfall gleichgestellte erhöhte Kraftanstrengung nach Ziff. 1.4 AUB, erfolgt nicht. Es ist also fraglich, ob auch erhöhte Kraftanstrengungen des Retters vom Retterschutz umfasst sind. Gemäß Ziff. 1.4 AUB wird eine erhöhte Kraftanstrengung unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich einem Unfall nach Ziff. 1.3 AUB gleichgesetzt. Soll diese Gleichsetzung ausnahmsweise nicht gelten, wird in der entsprechenden Vertragsbedingung ausdrücklich geregelt, dass sie nur für einen Unfall nach Ziff. 1.3 AUB gelten soll, wie z.B. beim Ausschluss von Bandscheibenschädigungen nach Ziff. 5.2.1 AUB. Da die erhöhte Kraftanstrengung beim Retterschutz nicht ausdrücklich ausgenommen bzw. dieser nicht ausdrücklich nur auf Unfälle nach Ziff. 1.3. AUB des Retters beschränkt ist, wird sie nach der allgemeinen Systematik der AUB gem. Ziff. 1.4 AUB einem Unfall des Retters gleichgestellt.
Beispiel 2
Der Retter zieht die VP aus einem Autowrack. Er bietet dafür all seine Kraft auf und erleidet dabei einen Bänderriss am Sprunggelenk.
2. Zeitliche Grenze des Versicherungsschutzes
Versicherungsschutz für Lebensretter besteht nur während der Bemühung um Rettung des Lebens der VP, ist also insoweit zeitlich begrenzt.
Beispiel 3
Der Retter hat die VP aus dem Auto befreit und sie den zwischenzeitlich eingetroffenen Rettungssanitätern übergeben. Beim Verlassen der Unfallstelle tritt der Retter in ein Loch am Straßenrand und bricht sich einen Fußknoch...