ZPO § 103 ff. § 172 Abs. 1 § 189
Leitsatz
1. Ein Kostenfestsetzungsbeschluss muss auch dann an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zugestellt werden, wenn der Erstattungspflichtige im Berufungsrechtszug keinen Rechtsanwalt beauftragt, sondern lediglich für das Prozesskostenhilfe-Verfahren eine Privatperson als Zustellungsbevollmächtigten benannt hat.
2. Gem. § 189 ZPO wird ein Zustellungsmangel für eine Zustellung, die vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1.7.2002 hätte erfolgen müssen, mangels Übergangsvorschrift nicht geheilt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 16.8.2012 – I ZB 66/11
Sachverhalt
Der Gläubiger hatte die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG R v. 20.10.1999 betrieben. Im Ausgangsverfahren, in dem der Schuldner in erster Instanz durch die Rechtsanwälte S. vertreten wurde, hatte das LG R die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Gläubigers hat das OLG R den Schuldner mit Versäumnisurteil v. 9.11.1998 antragsgemäß verurteilt. Das Versäumnisurteil führte im Rubrum als Prozessbevollmächtigten des Schuldners den RA F. auf.
Am 7.1.1999 hatte der Schuldner bei der Rechtsantragstelle des OLG R beantragt, ihn unter Beiordnung eines Anwalts Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu bewilligen. Als "Zustellungsbevollmächtigten ausschließlich für diesen Rechtvorgang" benannte der Schuldner den Architekten R.
Das LG R hat den Kostenfestsetzungsbeschluss v. 20.10.1999 an diesen Architekten R als Zustellungsbevollmächtigten des Schuldners am 13.11.1999 zugestellt. Wegen des Anspruchs aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss hatte das AG B am 14.1.2011 auf Antrag des Gläubigers einen Haftbefehl gegen den Schuldner erlassen, um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 ZPO zu erzwingen. Hiergegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, sowohl der Kostenfestsetzungsbeschluss als auch das ihm zugrunde liegende Versäumnisurteil des OLG R seien nicht wirksam zugestellt worden. Das LG B hat den Haftbefehl aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Gläubigers hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[5] "… II.1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Kostenfestsetzungsbeschluss sei dem Schuldner nicht wirksam zugestellt worden. Denn die Zustellung hätte, sollte sich der Rechtsanwalt F für den Schuldner anstelle der Rechtsanwälte S für die zweite Instanz als Prozessbevollmächtigter bestellt haben, an den Erstgenannten, anderenfalls an die Zweitgenannten erfolgen müssen. Deshalb sei die Zustellung an den Architekten R unwirksam, wobei es nicht darauf ankomme, ob dieser nicht ohnehin nur in Verbindung mit dem Prozesskostenhilfegesuch als Zustellungsbevollmächtigter benannt werden sollte. Eine Heilung des Zustellungsmangels durch tatsächlichen Zugang gem. § 187 ZPO in der im November 1999 geltenden Fassung (§ 187 ZPO a.F.) komme nicht in Betracht, weil durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist habe in Gang gesetzt werden sollen und für diesen Fall eine Heilung des Zustellungsmangels ausgeschlossen gewesen sei. Auch § 189 ZPO in der jetzt geltenden Fassung führe nicht zur Heilung des Zustellungsmangels, weil nach dieser Vorschrift eine Heilung ebenfalls nur durch Übergabe an den bestellten Prozessbevollmächtigten, nicht dagegen an den Schuldner selbst in Betracht komme und die Vorschrift darüber hinaus auf Altfälle des § 187 S. 2 ZPO aF keine Anwendung finde."
[6] 2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Kostenfestsetzungsbeschluss v. 20.10.1999 ist dem Schuldner nicht wirksam zugestellt worden, so dass er nicht Grundlage für den Erlass eines Haftbefehls sein kann.
[7] a) Durch Übergabe an den Architekten R konnte der Kostenfestsetzungsbeschluss nicht wirksam zugestellt werden, weil Herr R insofern nicht Zustellungsbevollmächtigter des Schuldners war.
[8] Im Verfahren vor dem LG war der Schuldner durch die Rechtsanwälte S vertreten. Die Vollmacht dieser erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten umfasste auch das Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. § 103 Abs. 2 S. 1 ZPO). Ein Erlöschen dieser Vollmacht ist weder dem Gericht noch dem Gläubiger angezeigt worden (vgl. § 87 Abs. 1 ZPO). Es ergibt sich insb. auch nicht aus der protokollierten Erklärung des Schuldners vor der Rechtsantragsstelle des OLG am 7.1.1999, wonach er den Architekten R “als Zustellungsbevollmächtigten ausschließlich für diesen Rechtsvorgang' benenne. Denn der Rechtsvorgang, auf den sich diese vor der Rechtsantragsstelle abgegebene Erklärung bezog, war das Prozesskostenhilfegesuch des Schuldners für die Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil des OLG R v. 9.11.1998. Die Zustellungsvollmacht des Architekten umfasste daher nur das Prozesskostenhilfeverfahren und möglicherweise noch die Einlegung des Einspruchs, jedenfalls aber nur die Entgegennahme von Schriftstücken, die sich auf das Berufungsverfahren vor dem OLG R bezogen. Eine Beendigung der erstinstanzlichen Vollmacht für die Rechtsanwälte S ergibt sich daraus nic...