Ein Blick nach Europa
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Beim 52. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar warf RA Oskar Riedmeyer in seinem Vortrag einen Blick auf die unterschiedlichen Regelungen zum Schmerzensgeld in verschiedenen europäischen Ländern. Dieser fördert zum Teil deutliche Unterschiede in der Regulierungspraxis zu Tage, die für den mit der Bearbeitung von Schadensfällen befassten Rechtsanwalt von großer Bedeutung sind.
A. Einleitung
Bei der Regulierung von Unfallschäden besteht innerhalb der Rechtssysteme der Staaten der Europäischen Union hinsichtlich der Schadenshöhe weitgehend Einigkeit, dass der Substanzschaden nach dem Grundprinzip der Wiederherstellung der vorherigen Vermögenssituation zu ersetzen ist. Wesentliche Unterschiede im Bereich des Sachschadens ergeben sich hinsichtlich der Schadensfolgekosten (z.B. Nutzungsausfallentschädigung, Mietwagenkosten, Wertminderung oder Gutachterkosten) und der Abrechnungsmodalitäten (fiktive Abrechnung der Reparaturkosten, tatsächliche Kosten der Wiederherstellung oder Differenz des Wertverlusts).
Der Ersatz des immateriellen Schadens hingegen ist in den europäischen Staaten sehr unterschiedlich geregelt. Zwar kann man auch hier ein allgemeines Prinzip erkennen, dass physische Verletzungen von erheblicher Schwere grundsätzlich zu einem pekuniären Ausgleich führen, jenseits dieser Gruppe bestehen jedoch erhebliche Differenzen. Schon die grundlegende Fragestellung, welchem Zweck der immaterielle Schadensersatz dient, wird nicht einheitlich beurteilt. Während er im deutschen Recht die Funktion hat, einen Ausgleich für nicht bezifferbare, also materiell nicht zu bewertende Schadensfolgen herbei zu führen, hat er beispielsweise in Italien im wesentlichen Umfang die Aufgabe, zukünftige finanzielle Einbußen, die sich naturgemäß nur spekulativ finanziell beziffern lassen, auszugleichen. Eine Schmerzensgeldbetrachtung in einer anderen Rechtsordnung muss daher stets auch die Interdependenz zum materiellen Schaden berücksichtigen.
Auch die Frage, wer immateriellen Schadensersatz erhalten soll, ist unterschiedlich geregelt. Hier geht es in erster Linie um die Fragen, ob neben der direkt verletzten Person auch Angehörige Ansprüche haben und welche immateriellen Ansprüche entstehen, wenn die Person getötet wird.
Ebenso unterschiedlich wie die Funktion des immateriellen Schadensersatzanspruchs ist auch dessen Bemessung. Dabei sind in den einzelnen Rechtsordnungen völlig unterschiedliche Bemessungstypen vorgesehen. Das Spektrum geht von völlig freiem Ermessen des Richters bis zu gesetzlich festgelegten Tabellen. In dieser kurzen Betrachtung sollen anhand der Situationen in Polen, England und Wales, Österreich sowie Spanien vier unterschiedliche Bewertungssysteme vorgestellt werden.
B. Polnisches Recht
Im polnischen Recht besteht ein Schmerzensgeldanspruch nach Art. 445 § 1 ZGB bei einer Verletzung der Rechtsgüter, die in den Art. 444 und 448 ZGB aufgezählt werden. Dies ist beispielsweise bei einer Körperverletzung oder einer Gesundheitsschädigung nach Art. 444 ZGB der Fall. Eine Körperverletzung ist gegeben, wenn die Funktionen des Organismus beeinträchtigt wurden. Unter Umständen kann auch lediglich eine psychische Belastung – jedenfalls wenn sie eine gewisse Grenze überschritten hat – eine Gesundheitsbeeinträchtigung darstellen und insofern einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigen. Ein Angehörigenschmerzensgeld, über dessen Einführung in Deutschland diskutiert wird, kann das Gericht in Polen beim Tod eines Unfallopfers den nächsten Familienangehörigen zusprechen (Art. 446 § 4 ZGB). Die Zuerkennung eines solchen Schmerzensgeldes ist jedoch fakultativ und von der Sachlage im konkreten Einzelfall abhängig. Die höchsten Schmerzensgeldbeträge sollten den Personen zuerkannt werden, die infolge des Todes einsam und ohne Familie geblieben sind.
Im polnischen Recht bestehen zur Bemessung des Schmerzensgeldes keine gesetzlichen Vorgaben. Die Gerichte entscheiden nach freiem Ermessen. Die Bemessung des Schmerzensgeldes nach polnischem Recht erfolgt dabei nicht anhand von Schmerzensgeldtabellen oder der Heranziehung von Vergleichsentscheidungen, sondern die Höhe des Ausgleichs wird nach den Umständen des Einzelfalles festgelegt. Das Schmerzensgeld nach Art. 445 ZGB besitzt nach der Rechtsprechung des polnischen Obersten Gerichts einen kompensatorischen Charakter und sollte deswegen auch eine ökonomisch spürbare Auswirkung haben. Die Bemessungskriterien stellen weitgehend auf den Einzelfall ab. Die Geldsumme, die aufgrund des Schmerzensgeldanspruchs zuerkannt wird, sollte aber in vernünftigen Grenzen bleiben und den aktuellen Vermögensverhältnissen in der Gesellschaft angepasst sein. Ein angemessenes Schmerzensgeld ist weder übertrieben hoch noch übertrieben niedrig. ...