StVO § 3 § 41; OWiG § 10
Leitsatz
1. Es kann davon ausgegangen werden, dass ordnungsgemäß aufgestellte Vorschriftszeichen von Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen werden. Daher braucht die Möglichkeit, dass der Betr. das Vorschriftszeichen übersehen hat, nur in Rechnung gestellt zu werden, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben (im Anschluss an BGHSt 43, 241).
2. Bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen kann i.d.R. von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen werden, wobei dies nach der Rspr. ab Überschreitungen von ca. 40 % angenommen wird. Bei niedrigeren Überschreitungen müssen weitere Indizien herangezogen werden, wie etwa das Vorliegen von mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang.
OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt. Der Betr. fuhr mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 126 km/h, obwohl die Geschwindigkeit zuvor durch drei beidseitig aufgestellte Schilderpaare auf 100 km/h beschränkt worden war. Nach den Feststellungen nahm der Betr. die Geschwindigkeitsüberschreitung mindestens bedingt in Kauf. Da der Betr. drei Schilderpaare passiert habe, habe er nach der Überzeugung des Gerichts jedenfalls die letzte Wiederholungsbeschilderung auch bemerkt oder jedenfalls infolge länger andauernder völliger Unaufmerksamkeit billigend in Kauf genommen. Dass der Betr. mit einer Geschwindigkeit gefahren sei, die mehr als 25 % über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gelegen habe, lasse auf eine jedenfalls bedingt vorsätzliche Begehungsweise schließen. Dem Betr. sei es nach der Überzeugung des Gerichts ohne Weiteres möglich gewesen, seine Geschwindigkeit schon anhand der Fahrgeräusche des ihm vertrauten Fahrzeugs, der sonstigen Fahrgeräusche und/oder anhand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändere, ausreichend zuverlässig zu schätzen und zu erkennen, dass er die erlaubte Geschwindigkeit wesentlich überschreite.
Gegen dieses Urt. wendet der Betr. sich mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das OLG Celle hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, den Betr. wegen fahrlässiger Begehung verurteilt und das Bußgeld reduziert. Im Übrigen hatte die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zuzulassen und auf den Senat zu übertragen. Zwar ist die Frage des Vorliegens einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung i.d.R. als eine solche des Einzelfalls anzusehen (KG, Beschl. v. 29.9.2000 – 2 Ss 218/00, juris). Der Bußgeldrichter hat hier bei der Beurteilung der Frage, ob eine vorsätzliche Begehensweise vorliegt, jedoch gerade nicht anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden, sondern einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, wonach daraus, dass der Betr. mit einer Geschwindigkeit von mehr als 24 % über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren ist, auf eine bedingt vorsätzliche Begehungsweise geschlossen werden könne. Dies entspricht nicht der st. obergerichtlichen Rspr. (siehe dazu unten 2.). Die Rechtsbeschwerde war daher zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zuzulassen und auf den Senat zu übertragen, zumal davon auszugehen ist, dass sich ähnliche Fallkonstellationen wiederholen können."
2. Die Rechtsbeschwerde des Betr. hat teilweise Erfolg, da die Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise keinen Bestand haben konnte. Der Senat hat insoweit von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, gem. § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst zu entscheiden und wegen fahrlässiger Begehungsweise verurteilt und das Bußgeld ermäßigt. Im Übrigen hatte die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg.
a) Die Feststellungen zur objektiven Tatseite im angefochtenen Urt. lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Messungen mit dem Messgerät LEIVTEC XV 3 sind von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn 1327a). Die Messung ist als standardisiertes Messverfahren anerkannt (vgl. dazu AG Gelnhausen, Urt. v. 6.7.2012 – 44 OWi–2575 Js 6195/12, juris; AG Wetzlar, Urt. v. 5.6.2012 – 45 OWi–2 JS 53476/12, juris). Eine Verfahrensrüge zur Ordnungsmäßigkeit der Messung ist vom Betr. nicht erhoben worden.
b) Die Verurteilung wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit konnte hingegen keinen Bestand haben.
Die Verurteilung wegen Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn setzt zum einen Kenntnis von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung und zum anderen Kenntnis von ihrer Überschreitung voraus (vgl. dazu etwa KG VRS 122, 232; OLG Zweibrücken DAR 2011, 274). Das AG hat hier die Kenntnis des Betr. von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung daraus abgeleitet, dass der Betr. drei Schilderpaare mit der Geschwindigkeitsbegrenzung passiert hatte. Diese Schlussfolgerung entspricht der obergerichtlichen Rspr., wonach davon ausgegangen werden kann, das...