VVG § 11 § 18 § 19 § 32 § 168 § 171
Leitsatz
1. Für einen Ratenschutzversicherungsvertrag, für den der Darlehensgeber eine Einmalprämie zahlt, gilt die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode, wie sie für Lebensversicherungsverträge vorgesehen ist, nicht.
2. Eine Risikoausschlussklausel, nach der sich der Versicherungsschutz nicht erstreckt auf in den letzten zwölf Monaten vor Vertragsschluss erlittene ernstliche, für den Versicherungsfall ursächliche Erkrankungen, deren beispielhafte Erläuterung auch leichtere Erkrankungen einschließen kann, ist unwirksam.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Hamburg, Urt. v. 15.7.2013 – 9 U 157/12
Sachverhalt
Der Kl., Dachverband der Verbraucherzentralen, verlangt von der Bekl., einem VR, Unterlassung der Verwendung zweier Klauseln in einem Gruppenversicherungsvertrag (Ratenschutzversicherung), den sie mit ihrem VN, einem Kreditunternehmen, abgeschlossen hat. Darlehensnehmer, die bei dem VN einen Kredit aufnehmen, treten dem Gruppenversicherungsvertrag als versicherte Personen bei. Die beanstandeten Klauseln lauten:
§ 3 Beginn und Ende des Versicherungsverhältnisses
Nach Ablauf der 30-tägigen Widerrufsfrist kann die versicherte Person schriftlich von dem VN die Kündigung des Versicherungsverhältnisses gem. den gesetzlichen Bestimmungen des VVG verlangen. Danach kann das Versicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als drei Jahren geschlossen worden ist, zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Vertragsjahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
§ 6 Ausschluss der Leistungspflicht für alle versicherten Risiken
Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf die der versicherten Person bekannten ernstlichen Erkrankungen (das sind Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs, der Wirbelsäule und der Gelenke, der Verdauungsorgane, Krebs, HIV-Infektion/Aids, chronische Erkrankungen) oder Unfallfolgen, wegen derer die versicherte Person in den letzten zwölf Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes ärztlich behandelt wurde. Diese Einschränkung gilt nur, wenn der Versicherungsfall binnen der ersten 24 Monate nach Beginn des Versicherungsschutzes eintritt und mit diesen Erkrankungen oder Unfallfolgen in ursächlichem Zusammenhang steht.
2 Aus den Gründen:
" … Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG … die Klausel hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeit für unbedenklich (B), hinsichtlich des Leistungsausschlusses bei bekannten ernstlichen Erkrankungen aber für unwirksam gehalten (C)."
(B) Die vom Kl. auch in der Berufung weiter angegriffene Klausel zur Kündigungsmöglichkeit ist nicht zu beanstanden. …
Die Regelung zur Kündigungsmöglichkeit lautet: “Nach Ablauf der 30-tägigen Widerrufsfrist kann die versicherte Person schriftlich von dem VN die Kündigung des Versicherungsverhältnisses gem. den gesetzlichen Bestimmungen des VVG verlangen. Danach kann das Versicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als drei Jahren geschlossen worden ist, zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Versicherungsjahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.‘
Damit wiederholt die Klausel fast wörtlich die Regelung des § 11 Abs. 4 VVG (n.F.) lediglich mit der Ausnahme, dass der Klauseltext statt von “Versicherungsvertrag‘ von “Versicherungsverhältnis‘ spricht – so wie auch die gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 3 VVG (a.F.). Diese Regelung verbessert dabei die Mindestvoraussetzung, die nach § 8 Abs. 3 VVG (a.F.) erforderlich war, indem sie in Übereinstimmung mit § 11 Abs. 4 VVG (n.F.) das Kündigungsrecht bereits nach Ablauf von drei und nicht erst von fünf Jahren gewährt. Die Klausel weicht damit bereits nicht von gesetzlichen Regelungen ab oder ergänzt diese auch nur. Eine solche Abweichung oder Ergänzung ergibt sich insb. nicht aus § 168 VVG (n.F.). Diese Vorschrift greift nur ein, wenn entweder laufende Prämien zu zahlen sind (§ 168 Abs. 1 VVG (n.F.)) oder die Versicherung Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des VR gewiss ist (§ 168 VVG Abs. 2 (n.F.)). Letztgenannte Voraussetzung ist hier offensichtlich und unstreitig nicht erfüllt. Aber auch die Voraussetzung des § 168 Abs. 1 VVG (n.F.) ist hier nicht erfüllt. VN ist nach dem Vertrag der Darlehensgeber, nicht der versicherte Darlehensnehmer. Der Darlehensgeber ist derjenige, den die vertragliche Prämienpflicht trifft und diese hat er als Einmalprämie zu leisten.
Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 168 VVG (n.F.) erfordert auch nicht, im vorliegenden Fall dem VN ein weitergehendes Kündigungsrecht einzuräumen. Der Kl. argumentiert insoweit ausschließlich mit den Interessen des versicherten Darlehensnehmers und zieht dabei auch den Umstand heran, dass der Versicherte letztlich wirtschaftlich die Prämie zu zahlen hat, wobei er das auch zur Deckung der Prämienverpflichtung aufgenommene Darlehen nicht in einem Einmalbetrag, sondern ratenweise zurückzuzahlen hat. Als Versichertem steht ihm aber ohnehin gar kein Kündigungsre...