1. Ausgangsüberlegungen
Fällt das Stichwort "alternative Reparaturmethoden", drängt sich der Gedanke an die vom VI. Zivilsenat anerkannte Möglichkeit der Verweisung des Geschädigten auf die geringeren Kosten einer Reparatur in einer anderen markengebundenen oder "freien" Fachwerkstatt auf. Der Gedanke ist zunächst so einfach wie bestechend: Der Geschädigte hätte Anspruch auf eine Herstellung nach herkömmlichen Methoden, könnte aber vom Haftungsschuldner unter bestimmten Umständen im Rahmen des § 254 BGB auf alternative Reparaturmethoden verwiesen werden.
Bei näherem Hinsehen weist diese Lösung allerdings einen entscheidenden methodischen Fehler auf: Sie überträgt die Lösung eines bekannten Falls ohne weitere Überprüfung auf einen anderen Sachverhalt. Die Suche nach einer dogmatisch tragfähigen Lösung muss deshalb dort ansetzen, wo das Gesetz selbst die Fragen der Schadensbehebung vorrangig behandelt, nämlich in § 249 BGB. Die Kernfrage muss also auch bei der Problematik alternativer Reparaturmethoden lauten: Was kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen? Dass die Antwort auf die Frage von hohem praktischem Interesse ist, liegt daran, dass die Kosten alternativer Reparaturmethoden in den meisten Fällen nur einen Bruchteil der Kosten herkömmlicher Methoden ausmachen.
Mit der Verortung des Problems bei dem Begriff der Erforderlichkeit des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist die erste entscheidende Weichenstellung verbunden: Da die Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit – wie wir gesehen haben – stark von der Art der Schadensabrechnung beeinflusst wird, ist die Problemlösung zwingend im System der konkreten und fiktiven Schadensabrechnung entsprechend der dargestellten Grundsätze zu suchen. Dabei handelt es sich nicht um eine unzulässige Prämissenbildung, die die Gefahr eines Zirkelschlusses in sich trägt. Es geht vielmehr darum, mit Hilfe eines anerkannten Systems der Behandlung von Kfz-Schäden eine diesem System entsprechende Lösung für eine Einzelproblematik zu entwickeln. Dass dabei die "Richtigkeit" der systematischen Grundlagen, wie sie oben skizziert worden sind, unterstellt werden muss, ist Voraussetzung einer solchen Problemlösung.
2. Die Problematik alternativer Reparaturmethoden bei konkreter Schadensabrechnung
Fall 1: Bei einem von H allein verschuldeten Unfall wird die Motorhaube des Fahrzeugs von G beschädigt. G fährt daraufhin in seine markengebundene Fachwerkstatt, wo die Motorhaube durch eine neue ersetzt wird, und verlangt nach Maßgabe der Reparaturrechnung Ersatz der angefallenen Kosten. H wendet nun ein, es hätte die Möglichkeit einer alternativen Reparatur bestanden, die deutlich günstiger gewesen wäre.
Nach den skizzierten Grundsätzen der konkreten Schadensabrechnung gilt hier Folgendes:
Da G sein besonderes Integritätsinteresse durch die Reparaturrechnung belegt, kommt den tatsächlich entstandenen Kosten bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist, ein starkes Gewicht zu. Hinzu tritt, dass G aus seiner Sicht von der Erforderlichkeit der anfallenden Reparaturkosten ausgehen durfte (subjektbezogene Schadensbetrachtung). Im Zweifel wusste G nämlich gar nichts von einer alternativen Reparaturmethode. Das Interesse des G am Ersatz der angefallenen Reparaturkosten ist in dieser Situation weitgehend geschützt, allerdings nicht grenzenlos. Die Grenze seiner Schutzwürdigkeit bildet auch hier die sog. "130 %-Grenze". Insoweit gilt: Liegen die Reparaturkosten innerhalb dieser Grenze, erhält G vollständigen Ersatz, wenn die Reparatur vollständig und fachgerecht erfolgt und G das Fahrzeug weiternutzt (vgl. oben Beispiel 2). Überschreitet der Herstellungsaufwand diese Grenze, kommt es darauf an, ob G die Durchführung der Reparatur für erforderlich halten durfte. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der zu erwartende Herstellungsaufwand innerhalb der 130 %-Grenze bewegt (Schadensprognose), selbst wenn die Reparatur sich im Nachhinein ohne Verschulden des G als teurer erweist (sog. Prognoserisiko). Das alles gilt aber unabhängig vom nachträglichen Hinweis des Haftpflichtversicherers auf eine günstigere Alternativmethode. Dieser Hinweis spielt für die Falllösung daher keine entscheidende Rolle.
Der pfiffige H könnte sich daher Folgendes überlegen: Wenn G die Kosten einer herkömmlichen Reparatur unter anderem deshalb ersetzt bekommt, weil er im Zweifel nichts von der Möglichkeit alternativer Reparaturmethoden weiß, so müsste man den Geschädigten doch nur vor Durchführung der Reparatur "bösgläubig" machen. Das führt uns zu folgender Fallabwandlung:
Fall 2: Bevor G die Motorhaube sei...