AÜG § 1 Abs. 1 S. 1; SGB VII § 104 § 108 § 110; ZPO § 286
Leitsatz
Die unanfechtbare Entscheidung des für den Verleiher zuständigen Versicherungsträgers, in der der Unfall eines – aufgrund eines wirksamen Vertrags – entliehenen Arbeitnehmers (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG) im Unternehmen des Entleihers als Arbeitsunfall anerkannt wird, hindert die Zivilgerichte nicht, den Unfall haftungsrechtlich dem Unternehmen des Entleihers zuzuordnen und diesen als haftungsprivilegiert anzusehen.
BGH, Urt. v. 18.11.2014 – VI ZR 141/13
Sachverhalt
Die Kl., eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, nimmt den Bekl. als Inhaber eines Unternehmens für Elektroinstallation gem. § 110 Abs. 1 SGB VII auf Ersatz von Aufwendungen für einen Arbeitsunfall des Zeugen N in Anspruch. Ein Mitarbeiter der Bekl., der Zeuge S, sowie zwei von der Bekl. bei einer Zeitarbeitsfirma georderte Leiharbeitnehmer, der Zeuge G und der Geschädigte, führten Arbeiten auf dem Dach einer Reithalle aus, auf dem eine Photovoltaikanlage installiert werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt waren Sicherheitsnetze und ein Schutzgerüst noch nicht installiert worden. Der Geschädigte trat auf eine zum Dach gehörende Lichtplatte, die zerbrach, so dass der Geschädigte etwa 7 Meter tief auf den Hallenboden schlug und sich schwer verletzte. Das LG hat die Klage auf Ersatz der Aufwendungen nach Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, dass der Bekl. den Versicherungsfall nicht grob fahrlässig herbeigeführt habe. Das BG hat ohne weitere Beweisaufnahme den Anspruch auf Zahlung von ca. 87.000 EUR dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Weiterhin hat es festgestellt, dass der Bekl. verpflichtet sei, der Kl. auch alle weiteren erstattungsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die bereits entstanden seien und künftig entstehen werden. Die zugelassene Revision des Bekl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das BG.
2 Aus den Gründen:
[4] "Das BG, dessen Urteil in r+s 2013, 409 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Anspruchsvoraussetzungen des § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII lägen dem Grunde nach vor. Aus dem Bescheid der Kl. v. 27.7.2009 ergebe sich mit bindender Wirkung, dass der Unfall des Geschädigten ein Versicherungsfall sei, für den die Kl. zuständig sei. Auch sei die Haftung des Bekl. gem. § 104 SGB VII beschränkt. Der Geschädigte habe zum Unfallzeitpunkt in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung zum Bekl. gestanden, weil er als Leiharbeiter auf einer Baustelle des Bekl. tätig gewesen sei und dort dessen Weisungen unterlegen habe."
[5] Der Bekl. habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, da er Unfallverhütungsvorschriften nicht beachtet habe, die elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hätten. Angesichts der Firsthöhe des Daches von sieben Metern und der nicht tragfähigen Lichtbänder seien Sicherungseinrichtungen zur Verhinderung eines Durchbruchs notwendig gewesen, die jedoch zum Unfallzeitpunkt nicht vorhanden gewesen seien. Insbesondere seien nach den nicht angegriffenen, bindenden Feststellungen des LG jedenfalls zum Unfallzeitpunkt keine Aluprofile mehr in den Sicken des betreffenden Lichtbandes vorhanden gewesen; die Profile seien zuvor von dem Lichtband entfernt worden, um sie zwischen den Lichtbändern zu montieren. Bei einem derart schwer wiegenden Verstoß sei der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt. Die vom Bekl. behauptete Anweisung, nicht auf die Lichtbänder zu treten, sei unzureichend gewesen, da bei Handwerksarbeiten auf einem Hallendach auch Vorsorge gegen unbedarfte Bewegungen getroffen werden müsse.
[6] Auch die angebliche weitere Anweisung, Aluprofile in die Sicken der Lichtbänder zu legen, sei entgegen der Auffassung des LG nicht geeignet, den Bekl. subjektiv zu entlasten. Der Bekl. habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die angeordnete Maßnahme geeignet gewesen sei, den Durchbruch eines Mitarbeiters durch ein Lichtband zu verhindern. Denn bei der Durchführung der geplanten Arbeiten hätten die Profile zwangsläufig wieder von den Lichtbändern entfernt werden müssen. Soweit das LG die vor Abschluss der Arbeiten erfolgte Entfernung der Aluprofile von den Lichtbändern als Verstoß gegen die Anordnungen des Bekl. angesehen habe, sei der Senat daran nicht gebunden, weil den Aussagen der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen konkrete Anhaltspunkte zu entnehmen seien, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen begründeten. Aus den protokollierten Aussagen des Zeugen S und des Geschädigten ergebe sich, dass die Aluprofile nach dem vom Bekl. erteilten Arbeitsauftrag zwischen den Lichtbändern befestigt werden sollten, damit am nächsten Tag mit der Montage der Photovoltaik-Module begonnen werden konnte; dazu hätten die Profile von den Lichtbändern entfernt werden müssen. Eine nochmalige Vernehmung der Zeugen sei nicht erforderlich, da das LG den Aussagen gefolgt sei.
[7] Der Bekl. behaupte zwar nunmehr, die Entfernung der Aluprofile von den Lichtbändern sei weder geplant noch notwendig gewesen, weil die Alus...