OWiG § 62; StPO § 95 § 147
Leitsatz
Dem Betr. sind die Rohmessdaten der ihn betreffenden Messung und Messreihe in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen.
AG Kassel, Beschl. v. 27.2.2015 – 381 OWi – 9673 Js 32833/14
1 Aus den Gründen:
"I. Der Firma … GmbH … wird aufgeben, die Rohmessdaten der Stadt B in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen, die von der Stadt B mit dem Gerät ES 3,0 (Gerätenummer … ) im Rahmen der Messreihe angefallen sind, in deren Verlauf es auch zu folgender Messung kam: 24.1.2014 um 11:42 Uhr in N, S, Höhe S-Str. 21, Pkw … ."
II. Die Herausgabe darf auch direkt an den Verteidiger oder an ein von ihm benanntes Sachverständigenbüro erfolgen.
III. Es wird darauf hingewiesen, dass mit der freiwilligen Herausgabe der Daten eine richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung vermieden werden kann.“
Mitgeteilt von RA Winand Koch, Stadtallendorf
2 Anmerkung:
Endlich! Aber noch ausbaufähig. Das AG Kassel setzt die wegweisende Entscheidung des LG Halle (zfs 2014, 114) um, aber nicht ganz konsequent. Wie ist die Ausgangslage? Die Bußgeldbehörde ist die Besitzerin der Messdaten und von dieser sind die Daten zunächst herauszufordern, in der Regel durch einen Beschluss nach § 62 OWiG. Wenn sich die Behörde – wie hier – darauf beruft, nur die verschlüsselten Daten zu besitzen, ist die Frage, wie das Gericht an den zugehörigen Code gelangt. Zunächst könnte – wiederum gemäß § 62 OWiG – die Behörde aufgefordert werden, von ihrem Vertragspartner den Code zu beschaffen und die Daten entschlüsselt herauszugeben. Geschieht dies nicht, kann das Gericht ggf. nach § 69 Abs. 5 OWiG das Verfahren zurückgeben bis zur Erfüllung der Auflage oder direkt nach § 47 OWiG einstellen. Ein Freispruch kommt zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht in Betracht. Denn es stehen weiterhin die in der StPO geregelten Zwangsmittel zur Verfügung. Problematisch ist aber, gegen wen diese überhaupt zu richten sind. Denn wenn hier von der Herstellerin des Messgeräts die Daten herausverlangt werden, § 95 StPO, hätte ich mir Ausführungen dazu gewünscht, warum der Hersteller als eigentlich Dritter direkt vom Beschluss betroffen werden kann (§ 62 OWiG gilt nur gegenüber der Behörde), ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird und unter welchen Voraussetzungen die weiter angedrohten Zwangsmaßnahmen anzuordnen wären. Alternativ hätte diskutiert werden sollen, ob und wenn ja welche Zwangsmaßnahmen gegen die Behörde denkbar wären. Dieser gesamte Themenkomplex steht also erst am Anfang der juristischen Feinarbeit. Immerhin gibt es bereits passende OLG-Entscheidungen – wie die in diesem Heft abgedruckte Entscheidung des OLG Bamberg (s. S. 353 –, die sich mit dem Umfang der Überlassung von Messdaten befassen, ohne allerdings die Frage der Lesbarkeit zu thematisieren.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 6/2015, S. 354 - 355