VVG § 173 Abs. 2; BUZ 98 § 1 § 2 § 6
Leitsatz
1. Klauseln in Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage der Verweisung vorsehen, weichen in dem VN günstigerer und damit wirksamer Weise von der gesetzlichen Regelung ab.
2. Eine einseitige Anpassung solcher Klauseln in Altverträgen wäre unzulässig.
3. Die Befugnis des VR zur Befristung eines Anerkenntnisses ist ausgeschlossen, wenn die AVB den Versicherungsfall als eingetreten fingieren, sobald eine voraussichtlich sechsmonatige Berufsunfähigkeit besteht und ein solcher Fall vorliegt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Dortmund, Urt. v. 4.12.2014 – 2 O 124/14
Sachverhalt
Der Kl., der als Bauleiter Angebote für Großbaustellen auf Autobahnen erstellt und dort auch Kontrollen und Sicherungsfahrten ausführt, macht geltend, er sei (u.a.) aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung, Hypertonie, Hyperurikämie, einem chronischen Schmerzsyndrom und Wirbelsäulenschäden berufsunfähig. Nachdem er im August 2011 Leistungen beansprucht hat, anerkannte die Bekl. am 8.8.2011 ihre Leistungspflicht v. 1.8.2010 bis 31.3.2011, weil der Kl. in diesem Zeitraum wegen einer Achillessehnenruptur nicht habe beruflich tätig sein können; weitere Leistungen versagte sie. Die dem Vertrag der Parteien aus dem Jahr 1998 zugrunde liegenden AVB sahen vor, dass Leistungen zu erbringen waren, wenn die versicherte Person "voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % berufsunfähig" werde (§ 1), definierte die Berufsunfähigkeit dem Gesetz entsprechend in § 2, sah vor, dass die Anspruchsstellung erfolgen solle, wenn "die sechsmonatige Mindestdauer der Berufsunfähigkeit ärztlicherseits voraussehbar oder bereits eingetreten sei" (§ 1 Abs. 4) und räumte der Bekl. die Befugnis zur zeitlichen begrenzten Anerkennung ihrer Leistungspflicht unter einstweiliger Zurückstellung der Verweisung (§ 6) ein.
2 Aus den Gründen:
" … A. Der Kl. hat gegen den Bekl. ab April 2011 aus § 1 VVG i.V.m. § 1 (1), § 2 BUZ 7.98 einen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. monatlich 687,63 EUR bis längstens zum 1.6.2018."
I. Ein Zahlungsanspruch folgt bereits aus dem Anerkenntnis des Bekl. v. 8.8.2011. Zwar hat der Bekl. mit Schreiben v. 8.8.2011 lediglich rückwirkend und zeitlich befristet für den Zeitraum v. 1.8.2010 bis 31.3.2011 seine Leistungsverpflichtung aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung anerkannt. Dieses zeitlich befristete Anerkenntnis war nach den vereinbarten Bedingungen jedoch nicht zulässig und ist deswegen als zeitlich unbefristet anzusehen.
1. Nach § 6 Abs. 2 BUZ 7.98 konnte der Bekl. ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Verweisung aussprechen. Von der Möglichkeit, ein zeitlich befristetes Anerkenntnis vorbehaltlich einer Verweisungsmöglichkeit auszusprechen, hat der Bekl. ausweislich des Anerkenntnisschreibens v. 8.8.2011 aber gerade keinen Gebrauch gemacht.
a) Die in den Bedingungen vereinbarte und unter dem Vorbehalt der Verweisungsmöglichkeit bestehende Befristungsmöglichkeit war bereits vor Inkrafttreten des neuen VVG in Altverträgen wirksam (vgl. OLG Hamm VersR 2001, 1098 … ) und bleibt auch nach Inkrafttreten des § 173 Abs. 2 VVG n.F. in Altverträgen wirksam. Die Einführung des § 173 Abs. 2 VVG n.F. führt in Altverträgen, in denen die Bedingungen eine Befristungsmöglichkeit lediglich unter dem Vorbehalt der Verweisungsmöglichkeit zulässig ist, auch nicht dazu, dass nunmehr ein einmaliges befristetes Anerkenntnis auch unter einstweiliger Zurückstellung der Prüfung der Berufsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf zulässig wäre.
Durch den zum 1.1.2008 in das neue VVG eingeführten § 173 Abs. 2 wurde eine einmalige zeitliche Befristung eingeführt, die allein an das Vorliegen eines sachlichen Grundes geknüpft wird, also weitergehender ist, als die hier vereinbarte Regelung in § 6 Abs. 2 BUZ 7.98. Auf Altverträge ist § 173 VVG n.F. zwar gem. Art. 4 Abs. 3 EGVVG anwendbar. Durch die Einführung des § 173 Abs. 2 VVG n.F. werden günstigere Klauseln – vorliegend § 6 Abs. 2 BUZ 7.98 – aber nicht deswegen unwirksam, weil sie einschränkend von § 173 Abs. 2 VVG n.F. lediglich für den Fall des Vorbehalts der Verweisung eine Befristung zulassen. Denn mit § 6 Abs. 2 BUZ 7.98 liegt eine Klausel vor, mit der zum Vorteil des VN von § 173 Abs. 2 VVG n.F. abgewichen wird (Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 173, Rn 6; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., Art. 4 EGVVG, Rn 10 … ). Diese für den VN günstigeren Klauseln bleiben für den VR bindend … , nach Auffassung der Kammer unabhängig davon, ob der Versicherung eine Anpassung der AVB an § 173 Abs. 2 VVG gem. Art 1 Abs. 3 EGVVG vorgenommen hat, die von dem Bekl. nicht durchgeführt wurde. Denn in der Begründung zu Art 1 Abs. 3 EGVVG führt der Gesetzgeber aus, dass eine Bedingungsanpassung nur insoweit zulässig ist, als sie aufgrund einer Änderung des bisherigen Rechtes geboten ist (BT-Drucks 16/3945 S. 118). Diese Voraussetzun...