StVO § 37 Abs. 2; StPO § 244 § 261
Leitsatz
1. Unerlässlich für ein Bußgeldurteil ist die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden, und zwar hinsichtlich des Sachverhalts sowie des Orts und der Zeit. Wenn mehrere Lichtzeichenanlagen vorhanden sind, sind deren Lage und die Funktion zueinander festzustellen.
2. Für die Berechnung der Rotlichtdauer für einen sog. "qualifizierten Rotlichtverstoß" ist grds. das Überfahren der Haltelinie maßgebend. Ob eine solche Haltelinie vorhanden war, muss daher in einem tatrichterlichen Bußgeldurteil festgestellt werden.
3. Zwar können für den Beweis eines – auch eines qualifizierten – Rotlichtverstoßes neben den Ergebnissen von Überwachungsanlagen grds. auch Schätzungen von Zeugen, insb. von Polizeibeamten herangezogen werden. Freie Schätzungen aufgrund einer bloß gefühlsmäßigen Erfassung der verstrichenen Zeit sind jedenfalls zur Feststellung von Zeitintervallen im Sekundenbereich ungeeignet.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 5.11.2015 – Ss (BS) 76/2015 (44/15 OWi)
Sachverhalt
Das AG hat gegen den Betr. wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße i.H.v. 200 EUR verhängt und eine Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betr. hat das OLG Saarbrücken das Urteil des AG Saarbrücken aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) führt bereits mit der erhobenen Sachrüge zu einem – zumindest vorläufigen – Erfolg, so dass es auf die darüber hinaus erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts nicht mehr ankommt"
1. In den Gründen des angefochtenen Urteils ist – soweit hier von Bedeutung – hinsichtlich der getroffenen Feststellungen sowie der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung Folgendes ausgeführt:
“In der Hauptverhandlung wurde aufgrund Angaben seitens des Betr., soweit ihnen gefolgt werden konnte, der Aussage der Zeugin PK B der Inaugenscheinnahme des Luftbilds (Bi. 5 d.A.) sowie der Verlesung der Auskunft aus dem Verkehrszentralregister (Bl. 8 ff. d.A.) folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Er befuhr – nach insofern geständiger Einlassung – am späten Vormittag des 25.10.2014 mit dem Pkw (amtliches Kennzeichen SB … ) die B-Straße in Saarbrücken-Güdingen Richtung B 51. Vor einer dortigen Saarbahnschranke, die geschlossen war und vor der eine Lichtzeichenanlage Rotlicht zeigte, befand sich die Zeugin B mit einem Kollegen in einem Funkstreifenwagen stehend als 4. Fahrzeug vor der Lichtzeichenanlage. Die Zeugin stellte dann fest, dass der Betr. mit seinem Fahrzeug an den wartenden Fahrzeugen links vorbeifuhr, um noch vor der Schranke links abzubiegen in die Straße “Im Rosengarten’. Der Betr. missachtete hierbei das Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage, die den Fußgängerverkehr schützt und die zum Zeitpunkt des Passierens durch den Betr. ca. 3 sec. Rotlicht anzeigte.
Zwar hatte die Zeugin diese Zeitspanne von etwa 3 sec. nicht per Stoppuhr gemessen. Dennoch hatte die Zeugin Anhaltspunkte für diese Zeitspanne: Der Funkstreifenwagen hatte bereits als 4. Fahrzeug vor der Saarbahnschranke und der Lichtzeichenanlage gestanden, als der Betr. links an den wartenden Fahrzeugen vorbeifuhr. Zu diesem Zeitpunkt zeigte die Lichtzeichenanlage für den Abbiegeverkehr, die der Betr. schließlich passierte, bereits Rotlicht Der Betr. fuhr nicht mit erkennbar überhöhter Geschwindigkeit an den Fahrzeugen vorbei. Somit hatte die Zeugin Anhaltspunkte, dass die Lichtzeichenanlage jedenfalls mehr als 1 sec. Rotlicht angezeigt hatte, als der Betr. nach links abbog. Es war insofern nicht von Bedeutung, ob die Rotlichtzeit bereits tatsächlich 3 sec. andauerte; jedenfalls war davon auszugehen, dass das Rotlicht schon mehr als 1 sec. andauerte, als der Betr. die Stelle passierte.’
2. Diese Begründung trägt den vom AG angenommenen (qualifizierten) Rotlichtverstoß nicht, weil sowohl die insoweit getroffenen Feststellungen als auch die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung lückenhaft sind.
a) Zwar sind an die Gründe eines tatrichterlichen Bußgeldurteils keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Gleichwohl gilt für sie gem. § 46 Abs. 1 OWiG die Vorschrift des § 267 StPO sinngemäß, und damit für ihren Inhalt grds. nichts anderes als im Strafverfahren. Auch die Gründe eines Bußgeldurteils müssen so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 2.4.2015 – 2 Ss OWi 251/15, Rn 13 nach juris; Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn 42; KK/Senge, OWiG, 4. Aufl., § 71 Rn 106). Unerlässlich ist daher die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden, und zwar hinsichtlich des Sachverhalts sowie des Orts und der Zeit (vgl. Göhler/Seitz, a.a.O., § 71 Rn 42a m.w.N...