RVG § 15 Abs. 2 § 22 Abs. 1
Leitsatz
Wird der Rechtsanwalt von Eheleuten, die durch einen Verkehrsunfall Schäden erlitten haben, getrennt beauftragt und macht er die Ansprüche der Mandanten getrennt geltend, so liegen zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten vor. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt für die Eheleute unterschiedliche Schadenspositionen geltend macht, die sich auch nicht teilweise überschnitten haben.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Bochum, Urt. v. 8.3.2016 – 47 C 466/15
Sachverhalt
Die Eheleute erlitten aufgrund eines Verkehrsunfalls am 17.2.2015 in Bochum Schäden. Mit der außergerichtlichen Geltendmachung dieser Schäden beauftragten sie eine Anwaltskanzlei in Herne. Die jeweiligen Aufträge an die Anwälte erfolgten getrennt. Im Anwaltsbüro wurden zwei unterschiedliche Handakten geführt. Mit getrennten Schreiben vom 12.6.2015 und vom 14.7.2015 machten die Anwälte die Ansprüche ihrer Mandanten gegen den Halter und den Fahrer des gegnerischen Unfallfahrzeugs sowie deren Haftpflichtversicherung geltend. Für den Ehemann wurde der Sachschaden zur Regulierung angemeldet, während für die Ehefrau ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht wurde. Außerdem verlangten die Eheleute die Zahlung der durch die Tätigkeit ihrer Anwälte entstandenen Anwaltsvergütung, die für jeden der beiden Eheleute getrennt berechnet worden war. Die gegnerische Haftpflichtversicherung zahlte nur einen Teil der Gesamtvergütung. Mit ihrer Klage auf Zahlung des Restbetrags i.H.v. 83,54 EUR hatte die Ehefrau Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Die Kl. hat aufgrund des Verkehrsunfalls vom 17.2.2015 in Bochum den verfolgten Schadensersatzanspruch nach §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 249 BGB i.H.v. 83,54 EUR."
Nach §§ 7, 15 RVG kann ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, nur einmal eine Gebühr verlangen. Hier ist der Klägervertreter sowohl für die Kl. als auch für deren Ehemann aufgrund desselben Unfallereignisses tätig geworden. Nach Ansicht des Gerichts liegt aber keine einheitliche Angelegenheit vor, d.h. der Prozessbevollmächtigte der Kl. wurde nicht “in derselben Angelegenheit’ i.S.v. §§ 7, 15 RVG tätig; er ist daher nicht gehindert, beide Angelegenheiten getrennt abzurechnen.
Eine einheitliche Tätigkeit ist nur anzunehmen, wenn die von den einzelnen Auftraggebern geltend gemachten Ansprüche derart eng miteinander verbunden und gleichartig waren, dass es sich um eine Angelegenheit handelt (vgl. LG Passau, Urt. v. 21.5.2015 – 3 S 101/14). Ausgangspunkt ist die Mandatierung des Anwaltes für einen konkreten Sachverhalt. Wird der Anwalt getrennt beauftragt und macht er die Ansprüche der Mandanten getrennt geltend, so liegen zwei Angelegenheiten vor (Mayer/Kroiß, 6. Aufl., § 13 Rn 8). Zwar beruhen die Mandatierungen des Klägervertreters sowohl bei der Kl. als auch deren Ehemann auf dem Verkehrsunfall vom 17.2.2015. Jedoch bezogen sich die geltend gemachten Ansprüche unbestritten auf unterschiedliche Schadenspositionen, die sich auch nicht teilweise überschnitten haben. So ist für den Ehemann der Kl. der Sachschaden geltend gemacht worden, während für die Kl. ein Schmerzensgeldanspruch durchgesetzt wurde. Ferner wurden die Ansprüche von Seiten des Klägervertreters – unbestritten – in zwei unterschiedlichen Rechtsanwaltsakten geführt und getrennt geltend gemacht, wie auch die Schreiben des Klägervertreters vom 14.7.2015 und 12.6.2015 belegen. Diese getrennte Verfahrensbehandlung spricht hinreichend für die Annahme von getrennten Aufträgen … “
3 Anmerkung:
Die Klägerin hatte hier – ähnlich wie die Kläger im Fall des AG Aichach vorstehend – eine ihr wohlgesonnene Richterin.
Ob die außergerichtliche Vertretung zweier Unfallgeschädigter verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten sind oder nur eine einzige, hängt in der Praxis von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu Recht weist das AG Bochum darauf hin, dass dabei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (BGH RVGreport 2011, 16 [Hansens]; RVGreport 2011, 15 [Ders.]; RVGreport 2009, 423 [Ders.] = AGS 2009, 472; BGH RVGreport 2014, 388 [Ders.] = AGS 2014, 263; BGH RVGreport 2016, 94 [Ders.]). Dabei kann von einem für das Vorliegen derselben Angelegenheit sprechenden einheitlichen Rahmen dann noch ausgegangen werden, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich von dem Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang kann auch dann noch vorliegen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (BGH RVGreport 2014, 388 [Hansens] = AGS 2014, 263). Dies kann auch dann gegeben sein, wenn der Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Rechte seiner Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu er...