Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist ausschließlich der Vertragsrechtsschutz, da die Definition des Versicherungsfalles im Schadenersatzrechtsschutz und im Beratungsrechtsschutz unproblematisch ist. Für den Schadenersatzrechtsschutz löst das erste Ereignis, durch das der Schaden entstanden ist oder entstanden sein soll, die Leistungspflicht des Versicherers aus.
Im Beratungsrechtsschutz gilt als Rechtsschutzfall das Ereignis, welches die Rechtslage des versicherten Personenkreises verändert (§ 4 Abs. 1c ARB 2010).
In § 4 Abs. 1c ARB 2000 wird für den Vertragsrechtsschutz der Zeitpunkt definiert, "in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll". Die früheren ARB enthalten eine inhaltlich gleiche Definition, ebenso die ARB 2012 (2.4.3).
Nach dieser Definition ist auf das erste vertragswidrige Verhalten abzustellen, und zwar sowohl das des Anspruchsgegners als auch das des Versicherungsnehmers. Wenn ein Versicherungsnehmer bei Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages oder Berufsunfähigkeitsvertrages falsche Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht hat, lag darin ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften und vertragliche Vorschriften, so dass der Versicherungsfall zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten war.
Nach gefestigter Rechtsprechung und einhelliger Kommentierung war der Versicherungsfall bereits dann eingetreten, wenn der Versicherungsnehmer selbst gegen Rechtsvorschriften verstoßen hatte. Entscheidend war allein, dass der Verstoß des Versicherungsnehmers bereits geeignet war, den Rechtskonflikt auszulösen und bereits den "Keim des Rechtskonfliktes" in sich trug.
Noch in einer Entscheidung des BGH vom 28.9.2005 heißt es, es genüge für den einen Rechtsschutzfall auslösenden Verstoß "jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang, der den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt".
Das OLG Koblenz stellt darauf ab, ob der Versicherungsfall bereits durch das Verhalten des Versicherungsnehmers "vorprogrammiert" war. In einer weiteren Entscheidung des OLG Koblenz vom 9.3.2012 wird darauf abgestellt, ob der Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt haben soll. Auf den Zeitpunkt der Erklärung der Anfechtung des Vertrages durch den Versicherer komme es nicht an.