Nun ist die digitale Revolution auch in den Fahrzeugen angekommen. Datensammler wohin man schaut. Neben bis zu 70 Steuerungsgeräten von Assistenzsystemen, die eigentlich schon alles Wissenswerte über Fahrer und Fahrzeug erfassen, Navigationsgeräten, die bis zu 3.000 km Fahrstrecke aufzeichnen, auch wenn sie nicht in Betrieb sind, Pay-as-you-drive-Telematikboxen und Dashcams haben die deutschen Versicherer nun auch noch einen Unfallmeldestecker auf den Markt gebracht. Dieser setzt eine Unfallmeldung ab, wenn ein Anstoß am Fahrzeug registriert wird, ähnlich dem 2018 in Neufahrzeugen verpflichtend werdenden eCall, nur dass der Notruf des Unfallmeldesteckers im Lager der Versicherungsbranche landet. Möglichst jeder Versicherungsnehmer soll ihn im Zigarettenanzünder bei sich führen. Versprochen wird die zeitnahe Nothilfe beim Unfall. Beabsichtigt hingegen ist die Steuerung in eine Partnerwerkstatt nebst aktivem Schadenmanagement, damit der Versicherer nicht zahlen muss, was er nicht zahlen will.

Die im Fahrzeug und darüber hinaus zur Verfügung gestellten Daten werden allerorten nutzbar gemacht. Nicht nur die Fernwartung von Fahrzeugsystemen und schon bald das autonome Fahren werden hierdurch möglich. Ein französischer Hersteller schaltet z.B. aus der Ferne die Zündung ab, wenn die Buchhaltung einen Rückstand bei den Leasingraten mitteilt.

Gerhard Witte (ControlEURxpert) berichtete beim Verkehrsanwaltstag in Düsseldorf von einem Computer namens "Watson", der derzeit die Medizinwelt revolutioniert. Ausgewählte Krankheitsvorgänge wurden namhaften Onkologen in den USA zur Diagnose vorgelegt, die diese mit 7 % richtigen Einschätzungen bewältigten. "Watson" hingegen diagnostizierte unter Rückgriff auf seine über Jahre erstellte Datenbank mit unzähligen Krankheitsverläufen über 90 % richtig.

Ähnliche Wunder darf man im Straßenverkehr erwarten. Das autonome Fahren wird die Unfallzahlen drastisch senken.

Immer mehr Lebensentscheidungen werden aus gutem Grund den Computern übertragen. Neben einem diffusen Unwohlsein bei dieser Erkenntnis bleiben auch recht konkrete Zweifel.

Was soll werden in sogenannten Dilemma-Situationen?

Ein autonom fahrendes Fahrzeug möchte einer Gruppe Kinder ausweichen und hat die Wahl, auf der linken Seite mit einem Motorrad zu kollidieren und hierbei den Motorradfahrer sicher nicht unerheblich zu verletzen oder nach rechts in die Seite eines Lkw hinein auszuweichen und damit die eigenen Insassen einer erheblichen Verletzungsgefahr auszusetzen. Es ist möglich, entsprechende Entscheidungsvorgaben genau zu programmieren, während der Mensch als Fahrer hier eher zufällige Ergebnisse erzielen würde.

Statt eines Lkw könnte man sich auf der rechten Seite auch einen Fahrradfahrer vorstellen. Fällt die Entscheidung hier leichter? Der Motorradfahrer ist besser geschützt – soll das Auto also nach links ausweichen? Bedeutet dies dann wiederum, dass das Anlegen von Schutzkleidung in Zukunft ihr Gegenteil bewirkt?

Solange es noch selbstfahrende Fahrer gibt, könnte "Big Data" auch bei der Unfallprävention sehr nützlich sein.

Das Auswerten von großen Datenmengen zur Ermittlung von Zusammenhängen spielt eine immer größere Rolle. So kann über die Auswertung detaillierter Fahrdaten zukünftig möglicherweise frühzeitig eine von einem Fahrer ausgehende Gefährdung erkannt werden.

Angenommen ein Verkehrsrecht-"Watson" ermittelt bei der Kontrolle einer Person, dass 80 % derer, die ähnliche Fahrdaten aufweisen, innerhalb eines Monats einen (schweren) Verkehrsunfall verursacht haben. Staatlicherseits könnte man auf die Idee kommen, die Fahreignung in Zweifel zu ziehen und entsprechende Maßnahmen (MPU?) zu ergreifen.

Zum Glück findet sich hier auch ein Haar in der Datensuppe: Es besteht die nicht unwahrscheinliche Gefahr, dass zufällige Korrelationen mit kausalen Zusammenhängen verwechselt werden. So schloss dereinst ein Wissenschaftler, dass der Konsum von Schokolade schlau mache. Er hatte bemerkt, dass in Ländern mit hohem Schokoladenkonsum die Zahl der Nobelpreisträger stieg. Er hatte allerdings außer Acht gelassen, dass beides ebenfalls mit dem Wohlstand eines Landes einhergeht und dies möglicherweise die wahrscheinlichere Ursache war.

Autor: Dr. Daniela Mielchen

RAin Dr. Daniela Mielchen, Fachanwältin für Verkehrsrecht, Hamburg

zfs 6/2016, S. 301

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