Die Bedeutung der Entscheidung des EuGH liegt darin, dass sie dem bei deutscher Beteiligung tätigen Anwalt die Möglichkeit eröffnet, mittelbare Schäden, die einem Angehörigen aus dem Tode des Geschädigten bei einem Verkehrsunfall im europäischen Ausland entstanden sind, geltend zu machen. Da die Entscheidung des EuGH grds. Geltung für alle Mitgliedstaaten der EU hat (Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO), lässt sie sich auf die Konstellation deutscher Beteiligung übertragen. Der Ausnahmefall des Vorrangs des Haager Straßenverkehrsübereinkommens gem. Art. 28 Abs. 1 Rom-II-VO greift deshalb nicht ein, weil Deutschland dieses Abkommen nicht ratifiziert hat (vgl. Staudinger, NJW 2016, 468).
Liegt eine Konstellation vor, in der ein Angehöriger des im Ausland bei einem Verkehrsunfall getöteten Opfers mittelbare Schäden geltend macht, die nach seinem Aufenthaltsrecht nicht ersatzfähig sind, wohl aber nach dem Recht des Tatorts, ordnet Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO die Anwendung des Rechts am Ort des "schadensbegründenden Ereignisses", damit des Tatortrechts an.
Damit kann der Anwalt des in Deutschland sich aufhaltenden Angehörigen nach dem Tatortrecht gegenüber dem deutschen Aufenthaltsrecht weitergehende Ansprüche geltend machen, falls der Angehörige als indirekt Geschädigter i.S.d. Art. 13 Abs. 1 EuGVVO anzusehen ist und damit nach der von dem EuGH begründeten Rspr., die der BGH übernommen hat, Klage vor dem eigenen Wohnsitzgericht gegen den Haftpflichtversicherer des ausländischen Schädigers erheben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – C 463/06 – SIG. 2007, i 11321; BGHZ 176, 276; vgl. auch BGH zfs 2015, 689).
Ob Angehörige als klageberechtigte Geschädigte anzusehen sind, ist von dem EuGH noch nicht entschieden (vgl. die Nachweise bei Staudinger, a.a.O.). Die Erwägung "indirekt" Geschädigter in Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO spricht allerdings für deren Klageberechtigung. Ein dubioses forum shopping läge in diesem Betreiben der Ansprüche nicht. Die Rückständigkeit deutschen Rechts bei der Zuerkennung von Ansprüchen an "nur" mittelbar Geschädigte ist offenkundig. Sie steht nicht nur im Widerspruch zu den Regelungen übriger Staaten Europas, sondern stößt auch auf verfassungsrechtliche Bedenken und hat zu einer Empfehlung eines Arbeitskreises des 50. Deutschen Verkehrsgerichtstages geführt, ein eigenes Angehörigenschmerzensgeld einzuführen (vgl. Katzenmeier, JZ 2002, 1029; Klinger, NZV 2005; 290 ff.; eingehend Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 2 – Verkehrszivilrecht, 6. Auflage, § 10 Rn 56–74). Damit ist die Empfehlung von Staudinger (a.a.O.), Ansprüche von Angehörigen strategisch zu verfolgen, überzeugend.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 6/2016, S. 315 - 318