[10] "… 1. Zutreffend geht das BG allerdings davon aus, dass die Halterhaftung gem. § 7 Abs. 1 StVG und die Haftung des Fahrers aus vermutetem Verschulden gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG nicht eingreifen, wenn ein in Betrieb befindliches Kfz lediglich an der Unfallstelle anwesend ist, ohne dass es durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat."
[11] a) Das Haftungsmerkmal “bei dem Betrieb‘ ist nach der Rspr. des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist. Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. An diesem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (Senatsurt. v. 26.4.2005 – VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993 unter II 1 a m.w.N.).
[12] Für eine Zurechnung zur Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. Allerdings hängt die Haftung gem. § 7 StVG nicht davon ab, ob sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kfz verkehrswidrig verhalten hat, und auch nicht davon, dass es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist (Senatsurt. v. 26.4.2005, a.a.O. m.w.N.).
[13] Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals “bei dem Betrieb eines Kfz‘ entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz – erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird, und will daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann “bei dem Betrieb‘ eines Kfz entstanden, wenn sich von einem Kfz ausgehende Gefahren ausgewirkt haben (Senatsurt. v. 26.4.2005, a.a.O. m.w.N.).
[14] Allerdings reicht die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kfz an der Unfallstelle für eine Haftung nicht aus. Insb. bei einem sog. “Unfall ohne Berührung‘ ist daher Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kfz zu einem schädigenden Ereignis, dass über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat (Senatsurt. v. 22.10.1968 – VI ZR 178/67, VersR 1969, 58; v. 29.6.1971 – VI ZR 271/69, 1060; v. 11.7.1972 – VI ZR 86/71, NJW 1972, 1808 unter II 1 c), mithin, dass das Kfz durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat (Senatsurt. v. 19.4.1988 – VI ZR 96/87, VersR 1988, 641 unter 1 a; v. 21.9.2010 – VI ZR 263/09, VersR 2010, 1614 Rn 5; Galke, zfs 2011, 2; Laws/Lohmeyer/Vinke, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR 2016, § 7 StVG Rn 37; Schwab, DAR 2011, 11, 13; Bachmeier, in: Lütkes/Bachmeier/Müller/Rebler, Straßenverkehr, Stand April 2016, § 7 StVG Rn 173; Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 7 Rn 13; Eggert, in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. Aufl., § 2 A Rn 77 ff.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 7 StVG Rn 10).
[15] b) So liegt es – jedenfalls nach den bisher von dem BG getroffenen Feststellungen – hier aber nicht. Im vorliegenden Fall hat das BG – anders als das BG in der der Senatsentscheidung v. 21.9.2010 (VI ZR 263/09, a.a.O.) zugrundeliegenden Fallgestaltung – nicht feststellen können, dass der Unfall – auch nur mittelbar – durch die Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) des Motorrads der Bekl. zu 1) verursacht worden ist. Entgegen der Ansicht der Revision genügt dafür der Umstand, dass die Bekl. zu 1) zeitlich parallel zu dem Unfallgeschehen ein Überholmanöver vorgenommen hat und der Kl. selbst nach dem Vorbringen der Bekl. einen Bogen gefahren ist, um in zweiter Reihe zu überholen, allein nicht.
[16] aa) Jedes im Betrieb befindliche und an der Unfallstelle (lediglich) anwesende Fahrzeug nimmt parallel zu dem Unfallgeschehen ein – wie auch immer geartetes Fahrmanöver – vor. Aus diesem Grund kann der Unfall immer auch auf die Verkehrssituation in ihrer Gesamtheit zurückgeführt werden. Hier wäre der Unfall zwar auch nach dem Vorbringen der Bekl. ohne das Überholmanöver der Bekl. zu 1) nicht geschehen, weil die Fahrlinie des Kl. dann möglicherweise eine andere gewesen wäre. Das reicht indes für den gem. § 7 Abs. 1 StVG erforderlichen Zurechnungszusammenhang nicht aus, weil d...