VVG § 2 Abs. 2 S. 2 § 28 Abs. 2 bis 4
Leitsatz
1. Ist der Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärung unklar und liegt eine Rückwärtsversicherung vor, so muss der VN in jedem Fall plausibel darlegen, wann und unter welchen Umständen er die Vertragserklärung abgegeben haben will. Die Vorlage des Antragsschreibens allein genügt nicht.
2. Das Verschweigen auch eines geringfügigen Vorschadens ist arglistig.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.10.2016 – 5 W 62/16
Sachverhalt
Der ASt. begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung einer Kaskoentschädigung nach einem Brand seines versicherten Fiat Ducato.
Der ASt. hatte unter dem 17.10.2013 bei der AG den Abschluss eines Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrags beantragt. Die Beratungsdokumentation vermerkte, dass er den Einschluss von Kaskoversicherungsschutz nicht wünschte. Dementsprechend policierte die AG den Vertrag unter dem 18.10.2013.
Am 15.8.2014 erlitt der ASt. in alkoholisiertem Zustand einen Verkehrsunfall mit dem versicherten Kfz durch Kollision mit einer Straßenlaterne, bei dem es zu leichten Beschädigungen einer Zierleiste am Reifen vorne rechts und zu Kratzspuren an der Beifahrertür – die den Verkehrsunfall aufnehmenden Polizeibeamten schätzten den Sachschaden an dem versicherten Kfz auf 500 EUR – kam. Allerdings war der Wagen nicht fahrbereit, weil die Zündung nicht reagierte. Am gleichen Tag kam es zu einem Brandschaden. Die nach Meldung des Schadens von der AG in der Schadenanzeige gestellte Frage nach Vorschäden verneinte er.
In dem Prozesskostenhilfeverfahren hat der ASt. ein unter dem 6.12.2013 datierendes Schreiben an die AG selbst vorgelegt, nach dem ihm aufgefallen sei, dass anders als von ihm gewünscht keine Teilkaskoversicherung bestehe und er darum bitte, eine solche in den Versicherungsvertrag "ab heute" miteinzuschließen. Dieses Schreiben will die AG mit einer Mailnachricht ihrer Versicherungsagentur am 3.11.2014 erhalten haben. Sie schloss daraufhin mit Nachtragsversicherungsschein vom 5.11.2014 – rückwirkend zum 6.12.2013 – eine Teilkaskoversicherung in den Versicherungsschutz ein.
2 Aus den Gründen:
" … II. (1.) Der ASt. verfügt – auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands – nicht über Versicherungsschutz aus einer Teilkaskoversicherung. Zwar besteht zwischen den Parteien aufgrund des von der AG unter dem 5.11.2014 ausgestellten Nachtragsversicherungsschein – auch – eine Teilkaskoversicherung. Die AG ist jedoch nach § 2 Abs. 2 S. 2 VVG leistungsfrei."
Danach ist ein VR nicht leistungspflichtig, wenn der VN bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis hatte, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift muss allerdings der VR beweisen (BGH VersR 2000, 1133). Den Beweis der Kenntnis des Eintritts des Versicherungsfalls vor Abgabe der Vertragserklärung kann ein VR indessen nur erbringen, wenn feststeht, wann der VN seine Vertragserklärung abgegeben hat oder jedenfalls von einem bestimmten, vom VN behaupteten Zeitpunkt ausgegangen werden kann. Insoweit kann dahinstehen, ob sich die Darlegungs- und Beweislast des VR, der sich auf § 2 Abs. 2 S. 2 VVG beruft, nur auf den Zeitpunkt der Kenntnis des VN vom Eintritt des Versicherungsfalls erstreckt oder auch auf jenen der Abgabe der Vertragserklärung. Da sich dieser Zeitpunkt der Wahrnehmung des VR regelmäßig entzieht – im Streitfall hat die AG behauptet, sie habe die Vertragserklärung nicht vor dem 3.11.2014 erhalten – ist der VN in jedem Fall gehalten, substantiiert und plausibel darzulegen, wann und unter welchen Umständen er seine Vertragserklärung abgegeben haben will. Würde man das anders sehen, könnte sich ein VN der Rechtsfolge des § 2 Abs. 2 S. 2 VVG jederzeit dadurch entziehen, dass er schlicht einen vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erfolgten – schriftlichen oder auch nur mündlichen – Antrag behauptet.
Der ASt. hat die Abgabe einer Vertragserklärung vor dem 3.11.2014 nicht schlüssig dargelegt. Im Gegenteil spricht alles dafür, dass es sich bei dem vorgelegten Schreiben v. 6.12.2013 um ein nachträglich – nämlich nach dem Versicherungsfall – gefertigtes Schriftstück handelt. Das ergibt sich aus Folgendem: Die von der AG vorgelegte Beratungsdokumentation zum Vertragsschluss im Oktober 2013 und der im Oktober 2013 dem ASt. übersandte Versicherungsschein weisen – ausdrücklich – keinen Teilkaskoversicherungsschutz aus. Das von dem ASt. vorgelegte – angebliche – Schreiben v. 6.12.2013 blieb – aus seiner Sicht – rund 11 Monate bis zum 3.11.2014 unbeantwortet. Warum er auf seine Bitte um “Erweiterung‘ des Versicherungsschutzes eine solch lange Zeit nicht zurückgekommen ist, hat er nicht erklärt. Darüber hinaus fällt auf, dass er den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag über seinen Versicherungsvermittler beantragt hat, der ihm noch unter dem 18.10.2013 die – Teilkaskoversicherungsschutz ausdrücklich als nicht gewünscht bezeichnende – Beratungsdokumentation übermittelt hat. Nichts hätte näher gelegen, als dass der ASt. sein ange...