VVG § 44 § 45 § 100; AVB D&O § 8.1
Leitsatz
Der VR einer D&O-Versicherung kann sich in einem Innenhaftungsfall auf eine Versicherungsbedingung, nach der der Versicherungsschutz nur durch die versicherten Personen geltend gemacht werden kann, nach Treu und Glauben nicht berufen, wenn er einen Deckungsanspruch abgelehnt hat, die versicherten Personen keinen Versicherungsschutz geltend machen und schützenswerte Interessen des VR einer Geltendmachung des Anspruchs durch den VN nicht entgegenstehen.
BGH, Urt. v. 5.4.2017 – IV ZR 360/15
Sachverhalt
Der jetzige Kl. zu 1 ist der Insolvenzverwalter der früheren Kl. zu 1 (Schuldnerin). Diese ist aufgrund einer Rechtsnachfolge VN einer bei der Bekl. abgeschlossenen D&O-Versicherung, in der den versicherten Personen Versicherungsschutz für den Fall zugesagt ist, dass sie wegen einer Pflichtverletzung bei der Ausübung der versicherten Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden haftpflichtig gemacht werden. Vertragsgegenstand sind unter anderem die AVB-O zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organe juristischer Personen der Bekl., in deren § 8.1. es heißt:
"Anspruch auf Versicherungsschutz können vorbehaltlich § 1 Ziff. 3 nur die versicherten Personen geltend machen."
Die Schuldnerin nahm zwei ehemalige Vorstandsmitglieder und zwei ehemalige Prokuristen auf Schadensersatz in Anspruch, denen sie vorwarf, noch während ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der Schuldnerin die Gründung eines Konkurrenzunternehmens geplant und vorbereitet zu haben und dabei auch Mitarbeiter abgeworben sowie geheime Geschäftsunterlagen an sich genommen und der Konkurrenz zugänglich gemacht zu haben. Insoweit hatte sie bereits Klagen anhängig gemacht.
Mit Schreiben v. 31.8.2010 zeigte die Schuldnerin der Bekl. den Versicherungsfall an. Die Bekl. lehnte die Deckung mit Schreiben v. 9.9.2010 ab. Die in Anspruch genommenen Personen machten keine Deckungsansprüche geltend. Deshalb erhob die Schuldnerin die streitgegenständliche Klage auf Feststellung, dass die Bekl. diesen Personen Versicherungsschutz zu gewähren habe.
2 Aus den Gründen:
[9] "… I. Das BG hat die Prozessführungsbefugnis des Kl. verneint, da nach § 8.1. der AVB-O nur die versicherten Personen den Anspruch geltend machen könnten, wodurch die Regelung der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG wirksam abbedungen sei."
[10] Die Klage sei – wegen des Trennungsprinzips – auch unbegründet, solange im Haftpflichtprozess nicht die Haftung der versicherten Personen geklärt sei. Auch in Fällen der Innenhaftung sei das Unternehmen gehalten, zunächst einen Titel gegen die versicherten Personen zu erstreiten. Die Befugnis zur Geltendmachung stehe ihm nur dann zu, wenn ihm als VN rechtskräftig ein Anspruch gegen den Versicherten zuerkannt oder wenn der VN im Besitz des Versicherungsscheins sei (§ 45 Abs. 2 VVG) und wenn der Versicherte zustimme (§ 45 Abs. 3 VVG), was hier nicht der Fall sei. …
[11] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kl. ist prozessführungsbefugt.
[12] 1. Das Recht der Schuldnerin, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, ist gem. § 80 Abs. 1 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Kl. übergegangen.
[13] 2. Zu diesem Recht gehört nach §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG auch die Geltendmachung der Rechte der versicherten Personen aus dem Versicherungsvertrag. Es ist ein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft gegeben (vgl. OLG Köln NVersZ 2002, 515, 516; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1375, 1376, jeweils zu § 76 VVG a.F. … ). Eine D&O-Versicherung, welche auch Schadensersatzansprüche der VN und ihrer Tochterunternehmen gegen versicherte Personen deckt, ist Versicherung für fremde Rechnung i.S.d. §§ 43 ff. VVG (vgl. Senat AG 2016, 395 Rn 27 und BGHZ 209, 373 Rn 20).
[14] 3. Die Regelung des § 8.1. AVB-O steht der Anwendung der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG im Streitfall nicht entgegen.
[15] a) Allerdings ergibt die Auslegung des § 8.1. AVB-O, dass durch diese Klausel die Regelungen der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG abbedungen werden sollen. Nach dem Bedingungswortlaut, von dem der durchschnittliche VN einer D&O-Versicherung, auf dessen Verständnis es insoweit maßgeblich ankommt, bei Auslegung der Klausel ausgehen wird, können den Anspruch auf Versicherungsschutz vorbehaltlich § 1 Ziff. 3 nur die versicherten Personen geltend machen. Anders als die Revision meint, erkennt der durchschnittliche VN, dass es sich trotz der teilweisen Ähnlichkeit der Formulierung nicht nur um eine deklaratorische Wiederholung des § 44 Abs. 1 S. 1 VVG handelt. Im Gegensatz zu § 44 Abs. 1 S. 1 VVG, der die materielle Inhaberschaft des Anspruchs betrifft, hat § 8.1. AVB-O dessen Geltendmachung zum Gegenstand. Indem diese nur den versicherten Personen möglich sein soll, werden die Regelungen in §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG insoweit modifiziert. …
[16] Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für den Fall der Innenhaftung. Eine Differenzierung zwischen Außen- und Innenhaftung enthält die Klausel nicht.
[17] b)...