1. Tatsächliche Erlangung eines finanziellen Vorteils durch die Tat
Der Verfall darf jedoch nur angeordnet werden, wenn der Täter oder ein Dritter (§ 29a Abs. 2 OWiG) für die bußgeldrechtlich relevante Handlung oder aus ihr "etwas erlangt" hat. Das Unternehmen muss den finanziellen Vorteil also tatsächlich erlangt haben.
Die Verfallsanordnung gem. § 29a OWiG setzt weiter eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas, dem Vorteil, voraus. Dies ist dem Wortlaut der Vorschrift des § 29a Abs. 2 OWiG zu entnehmen: "Hat der Täter einer mit Geldbuße bedrohten Handlung für einen anderen gehandelt und hat dieser dadurch etwas erlangt, so kann … "
Oftmals erschließt sich nicht, wie die Verwaltungsbehörden den wirtschaftlichen Vorteil ermittelt haben. Dies ist zugleich eine Chance für die Verteidigung, wenn Verstöße gegen das Fahrpersonalgesetz nicht zu bestreiten sind. Es werden seitens der Behörden unterschiedliche Berechnungen der Höhe des Verfalls vorgenommen.
Der sich gegen ein Unternehmen richtende Verfallsbescheid kann beispielsweise angeben:
"Es hat in der Spedition in der Zeit vom … bis zum … rund 2.449 Stunden Lenkzeitüberschreitungen von 14 Fahrern gegeben. Ein Teil der Einnahmen des Unternehmens resultiert aus den nicht gesetzeskonformen Lenkzeiten der Mitarbeiter. Der Umsatz und der erzielte Gewinn wäre geringer gewesen, wenn die Mitarbeiter gesetzeskonform eingesetzt worden wären. Die Adressatin (GmbH) hat hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. … Die Berechnung geht davon aus, dass jeder geleisteten Arbeitsstunde der Mitarbeiter der Firma mindestens Einnahmen von 12,54 EUR gegenüberstehen. Dies entspricht dem Stundenlohn in Ihrer Firma … ".
Ein nachprüfbarer wirtschaftlicher Vorteil des Unternehmens durch Überschreitungen von Lenkzeiten liegt oftmals gar nicht vor und stellt eine bloße Behauptung ins Blaue hinein dar. Bußgeldstellen haben auch gar keine Kenntnis von Umsatzzahlen des Unternehmens. Manche Verfallsbescheide unterstellen zu Unrecht, dass der Mehrerlös des Unternehmens gleichzusetzen sei mit der Vergütung eines Mitarbeiters pro Stunde.
Anders als bei durch Verfallsbescheide abgeschöpften Lkw-Überladungen, bei denen durch Rechnungen erwiesen werden kann, dass das Unternehmen Erlöse aus den überladenen Mengen erlangt hat, kann häufig nichts Erlangtes festgestellt werden.
2. Höchstrichterliche Rechtsprechung
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bereits in der Vergangenheit mit der Ermittlung des Erlangten bei angefochtenen Verfallsbescheiden befasst. Die Rechtsbeschwerdeinstanzen hoben wiederholt amtsgerichtliche Feststellungen auf und verwiesen die Sachen zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Das OLG Celle hat sich mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz nach § 29a OWiG in einer Entscheidung zum Sonntagsfahrverbot geäußert. Hier monierte die Rechtsbeschwerdeinstanz, dass die Höhe des Verfallsbetrages zu belegen sei: "So ist selbst dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen, ob es sich bei dem genannten Betrag lediglich um das vereinbarte Entgelt handelt und ob es der Betroffenen auch tatsächlich als Entgelt für die Durchführung des Transportes zugeflossen ist. Auf Letzteres kommt es jedoch an. Den finanziellen Vorteil aus der Tat, der durch die Verfallsanordnung abgeschöpft werden soll, muss die Betroffene tatsächlich erlangt haben (Fromm/Schmuck, SVR 2007, 405, 406). Dazu verhält sich das Urteil aber nicht." Das BayObLG hielt die Feststellungen des Amtsgerichts zur Frage, ob die Verfallsbeteiligte aus der Tätigkeit des Betroffenen "etwas" erlangt hat, für unzureichend, so dass eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich ist. Der Tatrichter war davon ausgegangen, dass bei festgestellten Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz die Verfallsbeteiligte zur fristgerechten Erledigung der erforderlichen Arbeiten (ohne Verletzung der Arbeitszeithöchstgrenzen) weitere Arbeitskräfte hätte einstellen müssen und sich daher deren Entlohnung erspart habe. Das Amtsgericht ging im angefochtenen Urteil von acht bzw. fünf zusätzlichen Arbeitnehmern aus. Es unterstellte einen zusätzlichen monatlichen Lohnaufwand zzgl. der Lohnnebenkosten, und zog von der Verfallsbeteiligten bezahlte Überstunden ab.
3. Schätzungen des Erlangten gem. § 29a Abs. 3 S. 1 OWiG
Da Verfallsanordnungen bei Bußgeldstellen mittlerweile zum Massengeschäft gehören, finden im Regelfall keine Durchsuchungen bei den juristischen Personen statt, um die Höhe des Erlangten konkret zu ermitteln. Da die exakte Berechnung der angeblich erzielten Vermögensvorteile höchst komplex und zeitintensiv wäre, schätzen die Verwaltungsbehörden vermehrt den Umfang des Erlangten und dessen Wert. Schätzungen sind gem. § 29a Abs. 3 S. 1 OWiG grundsätzlich ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zulässig, allerdings nur, wenn anderweitig keine Feststellungen möglich sind. Dabei müssen in den Gründen die tragenden Grundlagen der Schätzung dargelegt werden, ...