BGB § 31 § 434 Abs. 3 § 823 Abs. 2 § 826; StGB § 263

Leitsatz

1. Die Programmierung der Motorsteuerungssoftware durch die Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollen verringern, ist eine gesetzwidrige Manipulation, da sie weniger (gemessene) Stickoxide abgibt als im maßgeblichen Fahrbetrieb auf der Straße.

2. Das Inverkehrbringen der angeblich geprüften Kfz unter Verschweigen der vorgetäuschten Prüfung stellt sowohl eine Täuschung der Kunden wie eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB dar. Rechtsfolge des Vorliegens der Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und des § 826 BGB ist die Verpflichtung des Herstellers zur Erstattung des Kaufpreises, vermindert um die gezogenen Nutzungen gegen die Herausgabe des Kfz.

3. Die Haftung einer juristischen Person nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB setzt voraus, dass Organe der juristischen Person die Haftungstatbestände erfüllt haben. Beschränkt sich die juristische Person auf ein einfaches Bestreiten der Organe, liegt ein unzulässiges Bestreiten nach § 138 Abs. 1 ZPO vor, so dass die von dem Anspruchsteller behauptete Kenntnis als zugestanden gilt. Da der Kl. keine verlässlichen Kenntnisse über die internen Entscheidungsvorgänge der Bekl. hat, trifft die Bekl. eine sekundäre Darlegungslast.

(Leitsätze der Schriftleitung)

LG Hildesheim, Urt. v. 17.1.2017 – 3 O 139/16 (nicht rkr.)

Sachverhalt

Der Kl. begehrt von der Herstellerin eines Kfz in erster Linie die Rückzahlung des an den Händler gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Kfz. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor ausgestattet. Die Motorsteuerung war so programmiert, dass bei der Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand der Modus 1 gewählt wurde. Bei dem Betrieb im Straßenverkehr lief dagegen der Modus 0. Im Modus 1 wurde zur Verringerung des Stickstoffausstoßes mehr Abgas zur Verringerung des Stickstoffanteils zugeführt.

Mit seiner Klage verfolgt der Kl. die Verurteilung der Bekl. zum Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung des Kfz.

Das LG gab der Klage statt.

2 Aus den Gründen:

" … I. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB begründet."

Die Bekl. hat dem Kl. in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt. Die Handlung, durch die die Bekl. den Kl. geschädigt hat, war das Inverkehrbringen – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – von Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs u.a. in Fahrzeugen der Marke Skoda, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sog. Modus 1 versetzte.

Durch die Handlung der Bekl. hat der Kl. einen Vermögensschaden erlitten. Dieser besteht darin, dass er in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware den streitgegenständlichen Pkw erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen hat. Dass es sich bei diesem Vertrag um einen für den Kl. wirtschaftlich nachteiligen handelt, zeigt schon die Überlegung, dass kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn die Bekl. ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung der Manipulation durch das Kraftfahrtbundesamt rechnen müsse. Der Kl. hat nicht das bekommen, was ihm aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.

Die streitgegenständliche Programmierung der Motorsteuerungssoftware ist gesetzeswidrig. In der Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kfz hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Bei verständiger Auslegung muss die von der Bekl. installierte Programmierung als Abschalteinrichtung angesehen werden. Denn sie setzt die zu einem geringeren Stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Motorsteuerung im Modus 1 für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher ist als auf dem Prüfstand. Umgekehrt wird die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung etwa für die Abgasrückführung auf dem Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den sog. Modus 0, nämlich den Betriebszustand für den normalen Fahrbetrieb auf der Straße, zugunsten eines ausschließlich für den Prüfstandbetrieb bestimmten Modus abschaltet. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine Einwirkung au...

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