" … Der angefochtene Bescheid der Bekl. vom 3.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 ist rechtswidrig. Bei dem Ereignis vom 19.10.2012 handelt es sich um einen Arbeitsunfall i.S.d. Gesetzes."
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Der Kl. ist bei dem Ereignis unfallversichert gewesen. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII sind solche Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Dieser Tatbestand ist hier erfüllt. Der Kl. hat, indem er seinem potentiellen Unfallgegner ausgewichen ist, diesen aus erheblicher Gefahr für dessen Gesundheit gerettet, möglicherweise ihm sogar das Leben gerettet. Der Umstand, dass der Kl. die Rettungshandlung nicht mit zeitlichem Vorlauf geplant vorgenommen, sondern in Sekundenbruchteilen gehandelt hat, begründet keine andere Bewertung. Auch eine spontan, ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterfällt dem zitierten Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII. Dies hat das BSG gerade für ein Ausweichmanöver im Straßenverkehr entschieden (BSG, Urt. v. 30.11.1982 – 2 RU 70/81, BSGE 54, S. 190 ff., zur Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 9a) der Reichsversicherungsordnung – RVO). Die Entscheidung erscheint der Kammer sachgerecht, nachdem Gefahrensituationen geradezu immanent ist, dass sie überraschend auftreten und für die Rettungsentscheidung keine lange Überlegung dulden. Entsprechend hat das BSG zutreffend weiter entschieden, dass selbst bei reflexartigen Ausweichmanövern im Straßenverkehr Versicherungsschutz gegeben ist, wenn die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet ist, eine Rettungshandlung auszulösen (BSG, Urt. v. 8.12.1988 – 2 RU 31/88, BSGE 64, S. 218 ff.).
Ohne Erfolg weist die Bekl. darauf hin, dass der Kl. mit seiner Ausweichhandlung nicht allein den betreffenden Fahrradfahrer, sondern auch seine eigene Person habe retten wollen. Die Kammer hat nach sorgfältiger Sichtung der aktenkundigen, insb. der von der Polizeibehörde des Kreises U beigezogenen Unterlagen bereits nicht die Erkenntnis gewinnen können, dass der Kl. sich mit der von ihm vorgenommenen Ausweichhandlung besser stellt, als wenn er es auf eine Kollision mit dem Fahrrad hätte ankommen lassen. Dies gilt nicht nur wegen der vom Kl. nunmehr tatsächlich davongetragenen Verletzungen, sondern auch in Anbetracht der abstrakten Gefahrenlage als solcher. Es bestehen bei den in Rede stehenden Gewichten eines Motorrades einerseits und eines Fahrrades andererseits vielmehr gute Gründe für die Annahme, dass der Kl. mit seinem Motorrad überhaupt nicht gestürzt wäre, wenn er geradeaus in das Fahrrad hineingefahren wäre. Schlechterdings nicht verständlich ist in diesem Zusammenhang der von der Bekl. im Klageverfahren unterbreitete Vortrag, Motorradfahrer und Fahrradfahrer seien im Straßenverkehr gleichen Gefährdungen ausgesetzt. Es kommt hier auf die konkrete Gefahrenlage an, die für den Kl. bei einem Aufprall der Fahrzeuge entstanden wäre, im Verhältnis zu der Gefahr, welcher der potentielle Unfallgegner ausgesetzt gewesen wäre. Für die Kammer besteht kein vernunftgetragener Zweifel daran, dass bei einem Zusammenstoß die Gefahr für den Unfallgegner ungleich größer gewesen wäre, eine schwerwiegende Verletzung zu erleiden, als für den Kl. Es kommt hinzu, dass die Bekl. sogar nach dem eigenen von ihr in dem angefochtenen Bescheid vom 3.1.2014 gewählten Subsumtionsansatz das Bestehen eines Arbeitsunfalles hätte annehmen müssen. Wenn die Bekl. selbst dort das Bestehen einer annähernd gleichen Gefahr für den Kl. annimmt, so konzediert sie geradezu das Bestehen von Kausalität der Handlung des Kl. für die Abwendung einer Gefahr von dem Fahrradfahrer, denn eine annähernd gleiche Gefahr für den Kl. impliziert eine ebenfalls mindestens annähernd gleiche Gefahr für den Fahrradfahrer und nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zur Ermittlung von Kausalität vorherrschenden allgemein anerkannten Theorie der wesentlichen Bedingung reicht die annähernde Gleichwertigkeit für die Bejahung von Kausalität bekanntlich gerade aus.
Ebenfalls schlechterdings nicht nachvollziehbar ist die Zielrichtung des im Klageverfahren von der Bekl. unterbreiteten Vortrags, der Kl. habe die Kontrolle über sein Motorrad verloren. Der Kl. hat in der Tat die Kontrolle über sein Motorrad verloren, eben weil er das gewichtige Fahrgerät infolge des Ausweichmanövers nicht mehr hat halten können. Sollte die Bekl. mit ihrem Vortrag suggerieren wollen, der Kl. habe einen bloßen Fahrfehler begangen, der mit dem Vorfall mit dem Radfahrer nicht in Zusammenhang stehe, so ergeben die Ermittlungsakten hierfür nicht im Ansatz einen Anhalt.“