Die ZPO-Reform 2002 hat dazu geführt, dass auch gegen Berufungsurteile der Landgerichte die Revision möglich ist (§ 542 Abs. 1 ZPO). Seit dieser Zeit hat sich der 6. Zivilsenat des BGH in einer unübersehbaren Zahl von Entscheidungen mit der Schadenregulierung bei Verkehrsunfällen befasst. Allein zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten sind mehr als 50 Urteile ergangen.
In allen Entscheidungen wird nahezu wortgleich die Urteilsbegründung aus der Entscheidung vom 29.10.1974 wiederholt:
"Ihm (dem Geschädigten) sind die Mittel für diejenigen Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, die ein verständiger Fahrzeugeigentümer in der besonderen Lage des Geschädigten zur Schadensbeseitigung treffen würde."
In der Entscheidung des BGH vom 19.7.2016 heißt es:
"Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen".
I. BGH, Urteil vom 29.10.1974 (VI ZR 42/73)
Gegenstand dieses Rechtsstreits waren die von einer Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Reparaturkosten sowie Mietwagenkosten. Der Versicherer hatte sich darauf berufen, dass die Reparaturkosten übersetzt seien. Die Mietwagenkosten könnten nicht in vollem Umfang ersetzt werden, da die Reparaturwerkstatt die Durchführung der Reparaturarbeiten verzögert habe. Der BGH führt aus, dass dem Geschädigten ein mitwirkendes Verschulden gem. § 254 BGB nicht ange lastet werden könne, wenn ihn bei der Auswahl und Beauftragung der Werkstatt kein Verschulden treffe. Im Rahmen der Schadenminderungsobliegenheit sei die Werkstatt nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten.
Der Geschädigte könne nicht mit dem "Werkstattrisiko" belastet werden, es seien auch grundsätzlich die Mehrkosten zu ersetzen, "die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat".
Auch in dieser Entscheidung wird ausdrücklich klargestellt, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur kein Fall der Restitution gem. § 249 S. 1 BGB a.F. ist, vielmehr ein Fall nach § 249 S. 2 BGB a.F. (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB n.F.): Es sei davon auszugehen, "dass der Geschädigte, wenn er, wie hier, das Unfallfahrzeug selbst zur Reparatur gibt, nach § 249 S. 2 BGB von dem Schädiger bzw. dem Haftpflichtversicherer nur den Geldbetrag ersetzt verlangen kann, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeugs erforderlich ist".
II. Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB)
Nach § 278 BGB sind Erfüllungsgehilfen des Schuldners diejenigen Personen, "deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient". Erfüllungsgehilfen sind daher nur diejenigen Personen, die nach den tatsächlichen Gegebenheiten mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfsperson tätig werden. Zwischen der von dem Geschädigten beauftragten Werkstatt und dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer bestehen keine Verbindungen, so dass die Werkstatt bereits begrifflich nicht Erfüllungsgehilfin des Schädigers sein kann.
Eine derartige Stellung käme nur dann in Betracht, wenn der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer es übernommen hätte, die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs durchzuführen oder zu veranlassen. Dieser rein theoretische Fall dürfte in der Praxis nicht vorkommen. Ebenso wenig sind Werkstatt, Sachverständiger und Mietwagenunternehmen Erfüllungsgehilfen des Geschädigten, weil sie eigene Vertragspflichten zu erfüllen haben.
III. Schadenersatz (§ 249 BGB)
Das in § 249 Abs. 1 normierte Restitutionsprinzip ist bei der Unfallregulierung nur von akademischer Bedeutung. Kein Unfallgeschädigter wird es dem Schädiger überlassen, den früheren Zustand seines beschädigten Fahrzeugs wiederherzustellen.
Es verbleibt daher bei der dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 eingeräumten Ersetzungsbefugnis, den "erforderlichen" Geldbetrag zu verlangen.
Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 19.7.2016 aus, dass der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann:
"Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet."
Es ist auf die Sichtweise des Geschädigten abzustellen ("subjektbezogene Schadensbetrachtung"), die jedoch nicht dazu führt, dass der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer auch für überhöhte Schadenbeseitigungskosten einzustehen hat. Weiter heißt es in der Entscheidung vom 19.7.2016 :
"Den Geschädigten trifft gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des oben beschriebenen erforderlichen Herstellungsaufwandes."
Wenn der Geschädigte die Reparaturkosten, die Mietwa...