BUZ 2005 B § 2 (1)
Leitsatz
Wird ein versicherter Beamter "mit Ablauf" eines Monats in den Ruhestand versetzt, so tritt der Versicherungsfall am letzten Tag dieses Monats ein, wenn nach den Versicherungsbedingungen Berufsunfähigkeit vorliegt, sobald der versicherte Beamte wegen Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt wird.
BGH, Urt. v. 16.11.2016 – IV ZR 356/15
Sachverhalt
Die Kl. macht Leistungsansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend, die sie im Jahre 2005 bei dem Bekl. abgeschlossen hat. Versicherungsbeginn war der 1.12.2005. Für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wurde laut Versicherungsschein "eine Versicherungsdauer von 7 Jahren vereinbart".
Die Kl. war Beamtin auf Lebenszeit. Die dem Vertrag zugrunde liegenden "BUZ 2005 B" lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?"
Allgemeine Dienstunfähigkeit
(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn ein versicherter Beamter vor Erreichen der gesetzlich vorgesehenen Altersgrenze ausschließlich infolge seines Gesundheitszustandes wegen Dienstunfähigkeit aufgrund eines Zeugnisses des Amtsarztes oder eines vom Dienstherrn als Gutachter beauftragten Arztes, in dem die Dienstunfähigkeit festgestellt wird, entlassen oder in den Ruhestand versetzt wird.“
In einem amtsärztlichen Gutachten v. 27.10.2011 wurde festgestellt, dass die Kl. dienstunfähig erkrankt sei. Die Bezirksregierung K ordnete mit Verfügung v. 13.11.2012 die Versetzung der Kl. in den Ruhestand mit Ablauf des 30.11.2012 an. Die daraufhin beantragten Versicherungsleistungen verweigerte der Bekl. mit der Begründung, der Versicherungsfall sei nicht innerhalb der Vertragsdauer eingetreten.
2 Aus den Gründen:
[6] "… I. Das BG hat ausgeführt, eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit der Kl. sei nicht während der vereinbarten Versicherungszeit eingetreten; es könne daher dahinstehen, ob der Bekl. die Vereinbarung über die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wirksam angefochten habe. Die Versicherungsdauer von sieben Jahren sei mit dem 30.11.2012 abgelaufen gewesen. Die Voraussetzungen, die der Vertrag für die Annahme des Eintritts von Berufsunfähigkeit vorsehe, seien jedoch bis zum Ablauf des 30.11.2012 nicht eingetreten. Die “Beamtenklausel‘ in § 2 Abs. 1 BUZ 2005 B sei bei verständiger Würdigung so zu verstehen, dass bedingungsgemäße Berufungsunfähigkeit erst im Wirkungszeitpunkt der Entlassung oder Versetzung in den Ruhestand eintrete. Die Versetzung der Kl. in den Ruhestand sei gem. der Versetzungsurkunde aber erst mit Ablauf des 30.11.2012 erfolgt. …"
[8] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
[9] 1. Die Leistungspflicht des Bekl. aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung setzt nach § 1 Abs. 2 S. 1 BUZ 2005 B voraus, dass der Versicherte “während der Dauer‘ der Zusatzversicherung berufsunfähig i.S.d. Klausel wird. Noch zutreffend und insoweit auch von der Revision nicht angegriffen hat das BG festgestellt, dass die Versicherungsdauer der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit dem Ablauf des 30.11.2012 endete. Der “Ablauf‘ des letzten Tages der Vertragszeit erfolgte damit um 24:00 Uhr an diesem Tag (vgl. MüKo-VVG/Fausten, 2. Aufl., § 10 Rn 6; Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 10 Rn 1 zum entsprechenden Wortlaut des § 10 VVG).
[10] 2. Entgegen der Auffassung des BG ist aber die Berufsunfähigkeit der Kl. als Versicherungsfall am 30.11.2012 um 24.00 Uhr und damit noch innerhalb der Versicherungsdauer eingetreten. Wird ein versicherter Beamter “mit Ablauf‘ eines Monats in den Ruhestand versetzt, so tritt der Versicherungsfall am letzten Tag dieses Monats ein, wenn nach den Versicherungsbedingungen Berufsunfähigkeit vorliegt, sobald der versicherte Beamte wegen Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt wird.
[11] a) Noch zutreffend ist das BG davon ausgegangen, dass bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 BUZ 2005 B erst im Wirkungszeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand und nicht bereits mit dem Erlass oder der Bekanntgabe der entsprechenden Verfügung des Dienstherrn eintritt (vgl. OLG Frankfurt OLGR 1993, 37, 38 … ).
[12] aa) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senat VersR 2016, 720 Rn 15; BGHZ 123, 83 unter III 1 b; st. Rspr.).
[13] bb) (1) Ein solcher VN wird der Klausel zunächst entnehmen, dass die Versetzung in den Ruhestand in diesem Sinne jedenfalls ein für den versicherten Beamten erkennbares Handeln des Dienstherrn voraussetzt. Von vornherein nicht maßgeblich kann daher der Zeitpunkt sein, zu dem die Zurruhesetzungsverfügung erlassen wird. Solange sich der Bescheid noch in den Händen der Dienstbehörde befindet, bleibt er ein innerer Vorgang der Behörde ohne Außenwirkung (vgl. BVerwGE 55, 212, 214 [juris Rn ...