Das OVG Lüneburg hat sich in einer verkehrsverwaltungsrechtlichen Entscheidung zum Tatbegriff äußern müssen. Die Führerscheinstelle hatte den Betroffenen zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert, da er wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften i.S.d. § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 2. Alt. FeV begangen habe. Er habe sich eine Verfolgungsjagd mit Polizeibeamten geliefert. Er habe ca. 20 Minuten lang die Weisungen und Zeichen von Polizeibeamten missachtet, indem er die Weisung "Stopp Polizei" ignoriert habe und weitergefahren sei.
Darüber hinaus habe er sowohl innerhalb als auch außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, wobei nur die konkrete Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht feststehe. Dabei habe er zumindest sich selbst und seine Beifahrerin gefährdet, die ihn nach eigenen Angaben erfolglos gebeten habe, sie aussteigen zu lassen. Auf Nachfrage habe er angegeben, er sei geflüchtet, um von dem vor ihm ohne Fahrerlaubnis fahrenden Freund abzulenken.
Der Betroffene argumentierte in seinem Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO, der darauf abzielte, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, der besagte Vorgang sei eine "prozessuale Tat", also ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang. Das OVG war der Auffassung, es komme für die Beantwortung der Frage, ob einer oder mehrere Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften i.S.d. § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 FeV vorliegen, nicht auf den prozessualen, sondern auf den materiell-rechtlichen Tatbegriff an. Ein geschichtlicher Vorgang im Sinne des prozessualen Tatbegriffs könne aber auch mehrere Handlungen im materiell-rechtlichen Sinne (Tatmehrheit) umfassen. Sowohl das VG als auch das OVG lehnten es ab, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, die er gegen den Bescheid des Antragsgegners erhoben hatte.