1. Die Einordnung mehrerer Verkehrsordnungswidrigkeiten als Tateinheit oder Tatmehrheit hat – wie gezeigt – nicht nur Konsequenzen auf die Höhe der Geldbuße, bei einer fehlerhaften Bewertung der Konkurrenzfrage kann es auch zu einer gefährlichen Punktehäufung im FAER kommen, mit der Folge, dass innerhalb eines kurzen Zeitabschnitts die Acht-Punktegrenze schon erreicht oder überschritten wird.
2. Verfahrenshindernisse liegen vor, wenn ein Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden oder das Gericht über die Tat als Ordnungswidrigkeit bereits rechtskräftig entschieden hat, § 84 Abs. 1 OWiG. Ist über die Tat im verfahrensrechtlichen Sinne schon entschieden worden, so tritt Strafklageverbrauch ein. Nichts wäre schöner für den Betroffenen, wenn er schon wegen formeller Mängel nicht sanktioniert werden könnte und es gar nicht darauf ankäme, ob die Verfehlung, die oft mit standardisierten, geeichten Geräten gemessen wurden, nachzuweisen ist.
3. Liegt eine schwere Verfehlung mit Punkten und Fahrverbot neben einer Ordnungswidrigkeit ohne Punkte vor, und liegt eine Handlungseinheit vor, so kann die geringfügige Ordnungswidrigkeit und das dafür verhängte Verwarnungsgeld akzeptiert werden, die schwere Ordnungswidrigkeit darf nicht mehr verfolgt werden (§ 84 Abs. 1 OWiG).
4. Eine Steilvorlage für die Verteidigung kann es sein, wenn unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln und Führen eines Fahrzeugs unter Drogenwirkung zeitlich zusammentreffen und ein rechtskräftiges Strafurteil zur Drogenfahrt bereits vorliegt. Hier liegt ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit vor.
5. Die Fallbesprechung hat auch ergeben, dass nur eine Tat im prozessualen Sinn vorliegen kann bei einem Unterlassen von gebotenen Überwachungspflichten des Halters, die sich letztlich in mehrere Verkehrsordnungswidrigkeiten von Fahrern ausgewirkt hat. Weitere Bußgeldbescheide gegen den Halter wegen des Vorwurfs der Anordnung oder Zulassung der Inbetriebnahme eines nicht vorschriftsmäßigen Fahrzeugs wäre daher gerichtlich gem. § 46 Abs. 1 OWiG, § 206a StPO einzustellen.
6. Der Bußgeldrichter darf zu keiner anderen Tat im verfahrensrechtlichen Sinne als im Bußgeldbescheid verurteilen. Die Erteilung eines rechtlichen Hinweises gem. § 265 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG scheidet aus, wenn ein anderer Lebensvorgang und ein abweichendes geschichtliches Ereignis als im Bußgeldbescheid angegeben zum Vorwurf gemacht werden soll.
7. Auch in Einziehungsverfahren gem. § 29a OWiG winken Verfahrenshindernisse, wenn die Einziehungsanordnung den Tatvorwurf nicht ausreichend von anderen prozessualen Sachverhalten abgrenzt. Dies darf im Hinblick auf § 29a V OWiG nicht offenbleiben (Unmöglichkeit der Durchführung eines subjektiven Bußgeldverfahrens).
Autor: Rechtsanwalt Dr. jur. Ingo E. Fromm, Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz
zfs 6/2018, S. 309 - 313