StPO § 261
Leitsatz
Eine seitens eines SV festgestellte hohe Identitätswahrscheinlichkeit trägt eine Verurteilung nicht allein, wenn das Foto eine mindere Qualität aufweist. Ein Rückschluss auf den Fahrer erfordert zumindest die zusätzliche Feststellung, dass der Betr. entweder Halter des Pkw ist oder in einer solchen Beziehung zum Halter des Pkw steht, dass ein Zugriff auf den Pkw zu der fraglichen Zeit nicht auszuschließen ist.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 2.1.2018 – 2 Ss(OWi) 354/17
Sachverhalt
Durch das angefochtene Urteil hat das AG den Betr. wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 120 EUR verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betr. mit seiner vom Einzelrichter zugelassenen Rechtsbeschwerde. Das OLG Oldenburg hat das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Die Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg."
Das AG hat ausgeführt, dass die Fahrereigenschaft des Betr. zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Begutachtung des SV feststehe. Der SV komme zu dem Ergebnis, dass die Identität sehr wahrscheinlich sei. Diese Einschätzung reiche zur Überzeugung des Gerichts aus, um von der Fahrereigenschaft des Betr. auszugehen.
Diese Ausführungen entsprechen nicht den Grundsätzen, die der Senat im Zusammenhang mit der Identifizierung von Fahrzeugführern aufgestellt hat. Er hat im Beschluss vom 12.10.2011 (2 SsBs 241/11) Folgendes ausgeführt:
Ausweislich der Urteilsgründe ist davon auszugehen, dass das AG seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betr. allein auf das Sachverständigengutachten gestützt hat. Stützt das AG seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betr. jedoch ausschließlich auf das Gutachten, wird dieses den Grundsätzen, die der BGH in seiner Entscheidung vom 10.12.1995 (BGHSt 41, 377 ff) und dem folgend der Senat in seinem Beschluss vom 30.9.2008 (DAR 2009, 43 ff) aufgestellt hat, nicht gerecht.
Aus dem Umstand, dass das AG Anlass gesehen hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen, ergibt sich, dass es das Lichtbild zur Identifizierung des Betr. offensichtlich nur als eingeschränkt geeignet angesehen hat. Ausweislich der Urteilsgründe hat der SV die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Betr. Fahrer gewesen sei, als “höchstwahrscheinlich' angesehen. Dies ist zwar ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, jedoch weniger als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Auch wenn der Vergleich des Fotos mit dem Betr. für sich allein deshalb nicht den Schluss auf die Fahrereigenschaft zulässt, kann eine Gesamtwürdigung aller Umstände, der sich aus dem Foto ergebenen Anhaltspunkte sowie weiterer Indizien, etwa der Haltereigenschaft, der Fahrtstrecke oder -zeit gleichwohl zur Überführung des Betr. ausreichen (vgl. BGH a.a.O.). Der Senat hat in der oben genannten Entscheidung ausgeführt, dass eine seitens eines SV festgestellte hohe Identitätswahrscheinlichkeit eine Verurteilung nicht allein trage, wenn das Foto eine mindere Qualität aufweise. Ein Rückschluss auf den Fahrer erfordere zumindest die zusätzliche Feststellung, dass der Betr. entweder Halter des Pkw sei oder in einer solchen Beziehung zum Halter des Pkw stehe, dass ein Zugriff auf den Pkw zu der fraglichen Zeit nicht auszuschließen sei.
Hier hat das AG aber sogar ein Wahrscheinlichkeitsurteil von “Identität sehr wahrscheinlich' ausreichen lassen, ohne weitere Gesichtspunkte aufzuführen, die für eine Fahrereigenschaft des Betr. sprechen. Dass jemand “sehr wahrscheinlich' eine Straftat oder wie hier eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, rechtfertigt eine Verurteilung jedoch nicht.
Der Senat hatte in der Vergangenheit in denjenigen Fällen, in denen zu erwarten war, dass das AG die im Beschluss über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erteilten Hinweise zukünftig berücksichtigen werde, von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. An dieser Rspr. sieht er sich jedoch durch den Beschluss des BVerfG vom 27.10.2015 (2 BvR 3071/14, BeckRS 2016, 40852) gehindert. Dort hat das BVerfG beanstandet, dass das OLG eine Rechtsbeschwerde nicht ohne Weiteres mit der Begründung als unzulässig habe verwerfen dürfen, dass die Entscheidung auf einem Fehler im Einzelfall beruhe, sich das Gericht nicht bewusst über die obergerichtliche Rspr. hinweggesetzt habe und den Fehler angesichts der Ausführungen des OLG nicht wiederholen werde. Da die Annahme des OLG, es habe sich nur um einen Fehler im Einzelfall gehandelt, keine andere Grundlage als die Vermutung habe, dass sich das Gericht durch die Ausführungen des OLG belehren lassen werde, werde der Zulassungsgrund der Sicherung der Einheitlichkeit der Rspr. in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemache und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde weitgehend leerlaufen lasse.
Der Senat konnte es deshalb nicht allein mit einem Hinweis auf seine entgegenstehende Rspr. bewenden lassen.
Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das AG zurückzuverweisen.
Für das weite...