Gutachten werden häufig erforderlich im Zusammenhang mit strukturellen Schäden. Diese strukturellen Schäden können spontan aufgrund eines zunächst fortschreitenden Verschleißes auftreten (z.B. akuter Bandscheibenvorfall oder spontane Ruptur der Rotatorenmanschette in der Schulter), sie können auch unfallbedingt sein.
Aus gutachterlicher Sicht sind hier mehrere unterschiedliche Probleme zu beachten:
a) Schmerzen
Ein z.B. akuter Bandscheibenvorfall kann vorübergehend (einige Wochen lang) massive Schmerzen verursachen, die sich selbst durch Opiate nicht immer zufriedenstellend lindern lassen. In den ersten Wochen ist daher relativ unabhängig vom Beruf mit einer 100 %igen Arbeitsunfähigkeit zu rechnen.
Therapeutisch empfiehlt sich eine potente medikamentöse Schmerztherapie in Verbindung mit einer zurückhaltenden physiotherapeutischen Unterstützung.
Beispiel
Akuter symptomatischer Bandscheibenvorfall.
Prognose:
In aller Regel auf Sicht von sechs bis zwölf Wochen günstig.
b) Neurologische Störungen (Gefühlsstörungen, Muskelschwächen, Lähmungen)
Bei ausgeprägten neurologischen Störungen ist an einen frühzeitigen operativen Eingriff zu denken. Solche massiven Störungen sind aber sehr selten. Diskretere Störungen können reversibel oder irreversibel wichtige berufliche Tätigkeiten beeinträchtigen (z.B. Behinderung feinmechanischer Arbeiten aufgrund von Gefühlsstörungen in den Fingern).
Therapeutisch sollten mögliche Folgeschäden (z.B. Gelenkeinsteifungen bei Muskellähmungen) durch konsequente Physiotherapie verhindert werden.
Beispiel
Akuter symptomatischer Bandscheibenvorfall.
Prognose:
Massive Schäden (z.B. vollständige Lähmungen) sind oft irreversibel. Diskretere Schäden sind potentiell reversibel, der Verlauf kann aber ein bis max. zwei Jahre lang unklar bleiben.
c) Degenerativer Strukturschaden z.B. einer Bandscheibe
Der degenerative Strukturschaden der betroffenen Bandscheibe ist a priori großteils irreversibel. Zwar kann das ausgetretene Bandscheibenkerngewebe im Laufe von Wochen und Monaten schrumpfen. Im Idealfall wird dadurch eine vorübergehend kompromittierte Nervenwurzel entlastet. Die "kranke Bandscheibe" selbst mit Schäden im Faserring und im Kerngewebe wird dadurch aber nicht wieder gesund. Sie bleibt dauerhaft angeschlagen und beruflich vermindert belastbar.
Beispiel
Akuter symptomatischer Bandscheibenvorfall.
Prognose:
Ungünstig. Die biomechanische Belastbarkeit der betroffenen Bandscheibe bleibt dauerhaft deutlich reduziert. Körperlich besonders belastende Arbeiten sollten vorsorglich dauerhaft aufgegeben werden, selbst wenn die akuten Schmerzen abgeklungen sind.
Auch hinsichtlich der Prognose ist es ist also für den medizinischen Gutachter besonders wichtig, sich sehr früh Gedanken zu machen, weshalb die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht fortgesetzt werden kann. Eine dauerhafte massive Beeinträchtigung der biomechanischen Belastbarkeit der verletzten Körperregion durch Unfall oder Verschleiß führt aus medizinischer Sicht in vielen Fällen von vorneherein zu einer Berufsunfähigkeit. Hier muss nicht monatelang gewartet werden, wie sich die Beschwerdesymptomatik entwickelt.