I. Arbeitsunfähigkeit
Zitat
"Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben."
Zitiert nach Bundesanzeiger Nr. 61, S. 6501 vom 29.3.2004.
II. Berufsunfähigkeit
Berufsunfähig im Sinne der Deutschen Rentenversicherung sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbvi/240.html).
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. schreibt zum Thema "Berufsunfähigkeit in der Privatversicherung":
Zitat
"Es gibt keinen einheitlichen Begriff der Berufsunfähigkeit. Aufgrund der Merkmale verschiedener Versicherungstypen differieren die Definitionen der Berufsunfähigkeit in der Sozialversicherung, der privaten Krankenversicherung und der Lebensversicherung teilweise erheblich. Durch die mit der Deregulierung geschaffenen Möglichkeiten unterscheiden sich die Definitionen sogar innerhalb verschiedener Lebensversicherungsunternehmen. Zum Teil bieten selbst einzelne Gesellschaften Tarife mit unterschiedlichen Definitionen an. Dies korrespondiert mit den ungleichen Kundeninteressen, für die je nach persönlicher Präferenz eher der Preis oder eine möglichst umfassende Absicherung im Vordergrund steht."
Dies hat zu Folge, dass zur Bewertung jedes einzelnen Leistungsfalls die Definition des zugrunde liegenden Berufsunfähigkeitsvertrags bekannt sein muss, insbesondere dann, wenn sich dieser von der üblichen Definition (vgl. 2.1) unterscheidet.“
Bzgl. dieser "üblichen Definition" steht Folgendes:
Zitat
"Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Ein Berufsunfähigkeitsgrad von mindestens 50 % wird als Leistungskriterium für 100 % Leistung vorausgesetzt," (http://www.gdv.de/wp-content/uploads/2012/01/Berufsunfaehigkeit_in_der_Privatversicherung_GDV_2006n.pdf).
III. Problematik
Aus den o.g. Definitionen wird klar, dass Begriffe wie Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit sozialpolitische bzw. versicherungsrechtliche Begriffe sind. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass Mediziner diese Begriffe problemlos verstehen könnten, wenn selbst Juristen immer wieder damit Probleme haben.
Es darf getrost unterstellt werden, dass die wenigsten Mediziner fundierte Kenntnisse über die unterschiedlichen Definitionen dieser Begriffe im Sozialrecht und im privaten Versicherungsrecht haben. Selbst spezialisierten medizinischen Gutachtern kann nicht prinzipiell unterstellt werden, dass sie in jedem Fall die einzelnen Versicherungsverträge im Detail durchlesen und verstehen, bevor sie entsprechende Gutachten zur Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit erstellen.
Die Begutachtung der Arbeitsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit im privaten Versicherungsrecht ist daher eine interdisziplinäre Aufgabe zwischen Medizinern und Juristen. Die medizinischen Gutachter sollten ständig bemüht sein, die juristischen Grundlagen wenigstens im Grundsatz zu verstehen, die beteiligten Versicherungs- und Gerichtsjuristen wiederum sollten sich darum bemühen, den medizinischen Aspekt einer solchen Begutachtung zu durchschauen, um medizinische Gutachten einerseits verstehen und andererseits bzgl. ihrer Qualität beurteilen zu können.
IV. Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 11.3.2015 – IV ZR 54/14)
Wozu aber die ganzen Mühen um eine gegenseitige Verständigung zwischen Juristen und Medizinern? Gibt es nicht eine klare Aussage des BGH zu diesem Thema?
In seinem Urteil vom 11.3.2015 (IV ZR 54/14) akzeptierte der BGH folgende Definition aus den Musterbedingungen 2008 des Verbands der privaten Krankenversicherung ohne Beanstandungen:
Zitat
"Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht."
So klar diese Aussage aus juristischer Sicht sein mag, aus medizinischer Sicht ist sie unverständlich.
Die Kommunikation zwischen Juristen und Mediziner ist prinzipiell nicht unproblematisch. Auf der einen Seite fehlt den Juristen das medizinische Fachwissen, auf der anderen Seite den Medizinern das juristische. Hinzu kommt, dass die Sprache der Juristen nicht immer identisch ist mit der Sprache der Mediziner. Manche Probleme entstehen einfach dadurch, dass Begriffe unterschiedlich definiert und verstanden werden.
Im vorliegenden Fall en...