VB-ERV 2014 B Zif. 13.2 B Ziff. 14; BGB § 307 Abs. 1 S. 2; VVG § 28 Abs. 4
Leitsatz
1. Die in den Bedingungen einer Reiseabbruchversicherung enthaltene Bestimmung (hier: B Ziff. 13.2 B) VB-ERV 2014) "13. Welche Obliegenheiten haben Sie nach Eintritt des Versicherungsfalls? (…)," "(…) 13.2. Damit wir Ihren Versicherungsfall bearbeiten können, müssen Sie (…) die folgenden Unterlagen bei uns einreichen: (…) B) Bei unerwarteter schwerer Erkrankung; schwerer Unfallverletzung; Schwangerschaft; Bruch von Prothesen; Lockerung von implantierten Gelenken: Ein ärztliches Attest mit Diagnose und Behandlungsdaten eines Arztes am Aufenthaltsort" verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
2. Der Wirksamkeit der Regelung steht auch nicht entgegen, dass in der anschließenden Bestimmung über die Folgen der Verletzung von Obliegenheiten (hier: B Ziff. 14 VB-ERV 2014) zwar auf den vollständigen oder teilweisen Verlust des Versicherungsschutzes nach § 28 Abs. 2 und 3 VVG, nicht aber auf die Hinweispflicht des § 28 Abs. 4 VVG verwiesen wird (Abgrenzung zu Senatsurt. v. 2.4.2014 – IV ZR 124/13).
BGH, Urt. v. 4.4.2018 – IV ZR 104/17
1 Aus den Gründen:
" … [7] 1. Das BG hat zunächst rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Klausel B Ziff. 13.2 B) VB-ERV 2014 dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügt."
[8] a) Hiernach ist der Verwender von AGB gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen VN verständlich ist.
Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Senat r+s 2017, 259 Rn 15 m.w.N.). Dem VN soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (BGHZ 51 Rn 30 m.w.N.).
Dies ist insb. von Bedeutung, soweit ihm ein bestimmtes Verhalten als Obliegenheit vorgeschrieben wird (vgl. Senat r+s 2009, 497 Rn 27 m.w.N. zu § 6 VVG a.F.). Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht allerdings nur im Rahmen des Möglichen (BGHZ 208, 52 Rn 36 m.w.N.). Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können (BGH NJW-RR 2011, 1618 Rn 27), noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (Senat r+s 2017, 586 [juris, Rn 15]).
[9] Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (Senat r+s 2013, 334 Rn 9). Diese sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (BGHZ 211, 51 Rn 17).
[10] b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die Regelung in B Ziff. 13.2 B) VB-ERV 2014 nicht als intransparent. Der durchschnittliche VN wird sich zunächst am Wortlaut der Klausel orientieren. In dieser ist ausdrücklich festgehalten, dass er im Falle einer der dort im Einzelnen aufgeführten Erkrankungen, Verletzungen oder einer Schwangerschaft ein ärztliches Attest mit Diagnose und Behandlungsdaten eines Arztes am Aufenthaltsort einzuholen hat.
Unter dem Begriff des Aufenthaltsorts wird ein durchschnittlicher VN nach allgemeinem Sprachverständnis den Ort verstehen, an dem er sich tatsächlich, und sei es auch nur vorübergehend, befindet (vgl. Duden, Das Begriffswörterbuch 4. Aufl.; ferner – zum Begriff des Aufenthaltsortes i.S.v. § 899 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung – BGH, NJW 2008, 3288, juris, Rn 15). Hierbei spielt es aus Sicht eines durchschnittlichen VN zunächst keine Rolle, ob es sich um einen längeren oder kürzeren Aufenthalt handelt (vgl. auch BayObLG NJW 2003, 596 [juris, Rn 6] zum Begriff des Aufenthalts i.S.v. § 73 Abs. 1 FGG).
[11] Zusätzlich wird sich der VN an dem für ihn erkennbaren systematischen Zusammenhang der Klausel orientieren. Diese begründet nach der Überschrift von B Ziff. 13 VB-ERV 2014 eine von ihm nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit. Versicherte Ereignisse i.S.v. B Ziff. 13.2 B) VB-ERV 2014 sind: unerwartete schwere Erkrankung, schwere Unfallverletzung, Schwangerschaft, ...