1. Die seit dem 1.8.2002 geltende Neufassung des § 828 Abs. 2 BGB hat für bis zu zehn Jahre alte Kinder für von ihnen herbeigeführte Schäden im Straßenverkehr eine Haftungsbefreiung angeordnet. Ob eine teleologische Reduktion des § 828 Abs. 2 BGB mit der Folge eingreift, dass bei einer Schädigung eines geparkten Kfz durch ein unter zehn Jahre altes Kind die Haftungsbefreiung nicht eingreife (so BGH NJW 2005, 664; teilweise modifizierend BGH VersR 2007, 855; vgl. auch OLG Köln MDR 2008, 22 bei Auffahrt auf ein stehendes Fahrzeug: Haftungsschaden des Kinds bejaht), ist nicht entscheidungserheblich.
2. Aus der Sicht des Geschädigten begründet das Eingreifen der Haftungsbefreiung des ihn schädigenden Kinds die Suche nach Kompensationsmöglichkeiten (vgl. Diehl DAR 2007, 451 f.). In der Auseinandersetzung über Kompensationsmöglichkeiten wurde zu Lasten des schädigenden Kinds eine Pflichtversicherung der Eltern für Schädigungen durch das Kind und eine in ihrem Anwendungsbereich erweiterte Haftung nach § 832 BGB diskutiert.
§ 829 BGB setzte voraus, dass das Kind über größeres Vermögen verfügte: sicherlich nur ein seltener Ausnahmefall (vgl. AG Marburg zfs 2003, 444; Karczewski VersR 2001, 1071; Diehl zfs 2003, 444).
Gegen die Einführung einer "Pflichtversicherung Kind", die unter Hinweis auf das niederländische Recht gefordert worden ist (vgl. Scheffen ZRP 1991, 458 [463]; dies., in: FS Steffen S. 387 [394]; Haas/Hocher DStR 2001, 2118 [2121]), ist anzuführen, dass eine Einführung einer kostenträchtigen Haftpflichtversicherung wegen der damit verbundenen Kosten politisch nicht durchsetzbar ist.
3. Damit verbleibt als einzige realistische Möglichkeit der Kompensation des Geschädigten der Rückgriff gegenüber den Aufsichtspflichtigen, im Regelfall den Eltern des ihn schädigenden Kinds. Ob die sektorale Heraufsetzung der Verantwortlichkeit des Kinds im Straßenverkehr durch Erweiterung und Verschärfung der von Eltern geschuldeten Aufsichtspflichten nach § 832 BGB ausgeglichen werden muss, ist zu verneinen (so aber Karczewski VersR 2001, 1070 [1074]). Dem Gesetzgeber ging es bei der Neufassung des § 828 Abs. 2 BGB nicht darum, Risiken des Verhaltens von Kindern im Straßenverkehr "umzuschichten" und sie im großen Umfang auf die Eltern zu übertragen (vgl. H. Müller zfs 2003, 433 [443]). Ziel der Reform war allein noch vorhandenen Defiziten von kindlichem Verhalten im Straßenverkehr Rechnung zu tragen (vgl. OLG Oldenburg VersR 2005, 807).
4. Sowohl das Überlassen eines Fahrrads ohne Kettenschutz als auch die nicht eng geschnittene Hose begründeten die Gefahr des Verfangens bei der Benutzung und sind damit schadensursächliche Aufsichtspflichtverletzungen gewesen.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 6/2018, S. 318 - 321