AKB E 3.2.
Leitsatz
Die Verwertung eines beschädigten kaskoversicherten Kfz stellt keine Obliegenheitsverletzung dar, wenn der VN den Kaskoschaden unverzüglich angezeigt und der VR ihn nicht angewiesen hat, eine sachverständige Begutachtung oder ein Restwertangebot abzuwarten.
LG Wuppertal, Urt. v. 7.3.2012 – 8 S 76/11
Sachverhalt
Der Kl. vermietete geschäftlich ein Wohnmobil, das am 10.9.2010 in einen Unfall verwickelt war. Das Fahrzeug war im Rahmen eines Vollkaskovertrages bei der Bekl. versichert. Der Kl. ließ den Fahrzeugschaden durch einen Versicherungsmakler am 13.9.2010 der Bekl. melden. Diese erteilte einem Sachverständigen am 15.9.2010 den Auftrag, die Fahrzeugschäden zu begutachten. Der SV besichtigte das Fahrzeug am 16.9.2010. Am 15.10.2010 legte er der Bekl. ein Gutachten vor, das auch verschiedene Restwertangebote enthielt, darunter eines aus Polen zu einem Betrag von 25.740,– EUR brutto. Der Gutachter ermittelte Reparaturkosten von 15.939,99 EUR netto, einen Wiederbeschaffungswert von 25.882,35 EUR netto sowie einen Fahrzeugrestwert von 25.740,– EUR brutto. Am 31.10.2010, der Kl. hatte das von der Bekl. eingeholte Gutachten bis dahin immer noch nicht erhalten, verkaufte er das Wohnmobil für 20.500,– EUR weiter. Erst am 8.11.2010 übersandte die Bekl. das Gutachten mit den Restwertangeboten dem vom Kl. eingeschalteten Versicherungsmakler per E-Mail.
2 Aus den Gründen:
“ … 1. a) Der Kl. hat gegen die Bekl. aus dem mit ihr geschlossenen Vertrag über eine Vollkaskoversicherung gem. Ziffer A.2.6.1 der einbezogenen AKB vom 1.10.2007 noch einen Anspruch auf Zahlung von 4.403,36 EUR. Die Voraussetzungen der Ziffer A.2.6.1 der AKB liegen vor. Das Fahrzeug des Kl. hatte einen Totalschaden i.S.v. Ziffer A.2.6.6 AKB und damit auch i.S.v. Ziffer A.2.6.1 AKB. Die Reparaturkosten laut Gutachten des SV lagen mit 15.939,99 EUR über dem Wiederbeschaffungsaufwand (vgl. S. 2 der Ziffer A.2.6.6 der AKB), unabhängig davon, ob, wie die Bekl. meint, ein Restwert i.H.v. 21.630,25 EUR netto oder, wie der Kl. meint, ein Restwert i.H.v. 17.226,89 EUR netto anzunehmen ist.
Im Falle eines Totalschadens richtet sich der Anspruch aus Ziffer A.2.6.1 AKB auf Zahlung des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des vorhandenen Restwerts. Der zwischen den Parteien unstreitige Wiederbeschaffungswert des Wohnmobils belief sich auf 25.882,35 EUR. Der Kl. erzielte für das Fahrzeug durch einen Verkauf noch einen Restwert von 17.226,89 EUR netto. Damit ergibt sich – ohne Abzug des von der Bekl. an den Kl. vorgerichtlich bereits gezahlten Betrages und der vom Kl. zu tragenden Selbstbeteiligung – ein von der Bekl. zu zahlender Betrag i.H.v. 8.655,46 EUR.
Dieser Anspruchsberechnung steht entgegen der Ansicht der Bekl. nicht entgegen, dass der Kl. das beschädigte Wohnmobil für 20.500 EUR an einen Privatmann verkauft hat. Steuerneutral i.H.v. 20.500 EUR wäre der Restwert nur zu berücksichtigen, wenn im Falle der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs keine Umsatzsteuer abgeführt werden müsste (vgl. OLG Jena, Urt. v. 13.5.1998 – 7 U 711/08, juris). Zwar hat sich der Kl. für den Verkauf seines Fahrzeugs eines Kaufvertragsformulars für einen Vertrag zwischen zwei Verbrauchern bedient und zunächst von einem Privatverkauf gesprochen. Nach seinem letzten, unbestritten gebliebenen Vortrag in erster Instanz nutzte der Kl. das Wohnmobil aber geschäftlich und war vorsteuerabzugsberechtigt. Gehört ein beschädigtes Fahrzeug aber zum Betriebsvermögen eines vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers, wovon nach dem Vorstehenden auszugehen ist, so muss bei der Veräußerung des Fahrzeugs gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG Umsatzsteuer entrichtet werden und es ist in die Restwertberechnung nur der Netto-Restwert einzustellen.
Der Anspruch des Kl. entfällt auch nicht aufgrund einer Obliegenheitsverletzung beziehungsweise ist aufgrund einer solchen nicht zu kürzen. Insoweit kann dahinstehen, ob der Kl. gegenüber der Bekl. eine Obliegenheit aus Ziffer E.3.2 AKB verletzt hat. Eine solche Obliegenheitsverletzung könnte die Bekl. dem Kl. nicht anspruchsausschließend oder -mindernd entgegenhalten. Die vereinbarten AKB sehen selbst keine Sanktion für eine Verletzung der Obliegenheit aus Ziffer E.3.2 durch den VN vor. Ziffer E.6.1 der AKB bezieht sich nicht auf Ziffer E.3.2 AKB, sondern lediglich auf Ziffer E.1 AKB (Pflichten in allen Versicherungssparten). Gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG in der derzeit geltenden Fassung, die im Streitfall jedenfalls gem. Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG anwendbar ist, tritt Leistungsfreiheit des VR aber nur ein, wenn der Vertrag bestimmt, dass der VR im Falle der Verletzung einer Obliegenheit durch den VN nicht zur Leistung verpflichtet ist. Die Leistungsfreiheit muss in den Vertragsbedingungen als Folge der Verletzung der Obliegenheit ausdrücklich vorgesehen sein (Prölls/Martin/Prölss, VVG, 28. Aufl., § 28 VVG Rn 106). Das ist hinsichtlich der Obliegenheit aus Ziffer E.3.2 AKB nicht der Fall. Die Bekl. legt darüber hinaus auch nicht dar, dass hinsichtlich der Obliegenheit aus Ziffer E.3.2 AKB die Voraussetzu...